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ErinnerungMahnmal mit vielen Gesichtern

Der Ort der Information im Denkmal für die ermordeten Juden Europas holt sich Zeitzeugen auf den Bildschirm: Unter dem Stelenfeld zeigt die Gedenkstätte Videos, in denen Holocaust-Überlebende ihre Geschichten erzählen.

Unter dem Holocaust-Mahnmal werden Zeitzeugen in Filmen gezeigt. Bild: DPA

Im Holocaust-Mahnmal am Potsdamer Platz können Besucher den Überlebenden nun selbst lauschen. Mit aufwändig bearbeiteten Videos von Zeitzeugen will die Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas die Erinnerung an den Massenmord der Nationalsozialisten lebendig halten.

Die Idee geht auf das Projekt "Fortunoff Video Archive for Holocaust Testimonies" der US-amerikanischen Yale University zurück. Ende der 70er-Jahre begann hier mit einer Bürgerinitiative und einem Überlebenden der Aufbau eines Archivs mit Videomaterial. Die Interviews mit den Betroffenen waren vielfältig: Von einer bis zu zehn Stunden erzählten die Überlebenden auf verschiedenen Sprachen und nur einer Vorgabe: die Geschehnisse so originalgetreu und umfassend wie möglich wiederzugeben.

Teile dieses Archivs befinden sich nun im Ort der Information im Denkmal für die ermordeten Juden Europas. An ihrer Präsentation haben neun Monate lang Übersetzer, Programmierer und Wissenschaftler gearbeitet. Denn die Stiftung wollte die Videos nicht einfach als Archivmaterial zeigen. So sitzt der Nutzer weniger vor einem Fernseher als vor einem Computerbildschirm. Neben dem Film, in dem er gezielt zu verschiedenen Stellen springen kann, gibt es persönliche Informationen über den Interviewten, eine Zusammenfassung des Textes und eine vollständige Abschrift des Gesprochenen. Das war den Machern besonders bei den Interviews wichtig, die nicht auf Deutsch geführt wurden. "Wir wollten das Bild nicht mit einem Transkript überlagen. Deswegen läuft der Text rechts neben dem Bild mit", erklärt Daniel Baranowski, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Stiftung. Aus diesem Grund gibt es auch keine Synchronisation.

Außerdem bemerkenswert: Die Interviewten sprechen keineswegs nur über ihr Leben in der Verfolgung, sondern auch über die Geschehnisse vor und nach dem Nationalsozialismus sowie über den Alltag, den es trotzdem gab. Tomasz B. zum Beispiel, der als 13-Jähriger nach Theresienstadt deportiert wurde, berichtet von dort auch, wie er sich in ein Mädchen verliebte. Der Zuhörer erfährt, aus welcher Art von Familie der Interviewte stammt und dass er - nach Kriegsende - studiert hat und eine Familie gründete (siehe links).

82 Videos gibt es bislang zu sehen, weitere 850 sind bereits digitalisiert, müssen aber noch bearbeitet werden. Das Archiv in Yale fasst insgesamt über 4.400 Filme. Die Videos in Berlin bieten schon jetzt Material für mehrere Tage: 171 Stunden Stunden dauern die 82 Filme. Die Interviewten stammen aus fast allen Ländern Europas, aus Asien und Australien, Nord- und Südamerika. Auch das Themenspektrum ist breit gefächert, von der Deportation und Haft im Konzentrationslager über die Pogrome bis hin zum Ersten Weltkrieg und zur Wiedervereinigung.

Geoffrey Hartmann, Mitinitiator des Projekts an der Yale-University, ist davon überzeugt, dass das Angebot auch in Berlin seine Wirkung nicht verfehlt: "Gerade Eisenmanns Denkmal, die historische Präsentation in der Ausstellung und die anrührenden, persönlichen Geschichten aus dem Archiv können ein Erinnerungsfeld schaffen, in dem der Verstand nie die Gefühle verdrängt, aber auch die Gefühle nie den Verstand."

Bislang richtet sich die Stiftung mit dem neuen Projekt vor allem an Berliner Schulkassen - deren Besuche werden durch die Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Sport gefördert. Wer als Einzelperson an den Interviews interessiert ist, muss sich vorher anmelden, für Gruppen wird eine Gebühr von 100 Euro fällig.

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