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Dokumentazion„Erhebliche Zweifel“

■ Wie Gustav Sauer, Ex-Abteilungsleiter für Reaktorsicherheit im Kieler Energieministerium, Einwände gegen das Comeback von Krümmel erhob.

„Die atomrechtliche Genehmigungs- und Aufsichtsbehörde ist bisher davon ausgegangen, daß jedenfalls unfallartige Freisetzungen vom Kernreaktor-Fernüberwachungssystem (KFÜ) bemerkt werden müssen; gleichwohl wurde bislang nicht geprüft, ob das KFÜ auch sog. diffuse Quellen bemerken kann, die sich u.U. zwischen überwachungsfreien Räumen 'durchmogeln' können.

... Im einzelnen sprechen indessen die von Frau Prof. Schmitz-Feuerhake vorgetragenen Argumente u.U. für solche diffuse Quellen. Frau Prof. Schmitz-Feuerhake hat ... diejenigen Festkörperdosimeter, die sich auf dem Dach des Maschinenhauses ... befinden, ausgewertet und findet – aus meiner Sicht – überraschend hohe Werte ... in den Jahren 1984 bis 85 in der Größenordnung von 170 bis 210 Milli-Sievert. Derartige hohe Immissionswerte außerhalb des Sicherheitsbereichs sind dem Unterzeichner bisher nicht bekannt geworden. Sie geben zu ernsthaften Bedenken zum Sicherheitskonzept Anlaß.

... Auffällig ist dabei, daß im Jahre 1987 die Auswertung dieser Festkörperdosimeter versagt haben soll. Hierzu muß ich erhebliche Zweifel anmelden ... Dem Hörensagen nach soll das Auswertungsgerät explodiert sein. Dies ist nicht denkbar... Aufklärung ist unbedingt erforderlich.

Die Frage des kausalen Zusammenhangs zwischen ... Leukämieerkrankungen und Emissionen aus dem Kernkraftwerk Krümmel wird niemals bewiesen werden können ... Die Kausalität wird aber auch ... (vom) Atomgesetz nicht gefordert. Danach wären Genehmigungen obligatorisch zu widerrufen, 'wenn dies wegen der erheblichen Gefährdung der Beschäftigten, Dritter oder der Allgemeinheit erforderlich ist und nicht durch nachträgliche Auflagen in angemessener Zeit Abhilfe geschaffen werden kann'.

Unbestritten ist, daß Leukämiefälle, wenn Indizien auf das Kernkraftwerk hinweisen, eine erhebliche Gefährdung darstellen. ... Dies bedeutet, daß wir uns nicht in der unmittelbaren Gefahrenabwehr befinden, sondern im vorgelagerten Fall der Risikovorsorge, nämlich eine Gefahr gar nicht erst real werden zu lassen. Demnach ist der MFE (Energieminister Claus Möller – Anm. die Red.) auch gar nicht aufgerufen, die Kausalität selbst nachzuweisen, sondern vielmehr umgekehrt, das Kernkraftwerk muß ihm nachweisen, daß eine solche erhebliche Gefährdung nicht besteht.

... Ich schlage deshalb vor, daß die Kernkraftwerk Krümmel GmbH aufgefordert wird, zum Schreiben von Frau Prof. Schmitz-Feuerhake vom 08.09.1994 Stellung zu nehmen, und erst dann eine Zustimmung zum Wiederanfahren erteilt werden kann, wenn sie die darin niedergelegten Sachverhalte widerlegen und aufklären und ... ausschließen kann.“

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