Erfolgreicher Protest: Bürger schlachten Schlachtfabrik
Champagnerlaune bei Schlachthofgegnern: Pläne für Hähnchen-Tötungs-Anlage in Industrieformat bei Bürgerbefragung glatt durchgefallen.

Der Wildeshauser Hähnchenmetzger Walter Kreienborg wird keine industrielle Schlachtanlage im Großenknetener Ortsteil Ahlhorn errichten. Das ist das am Montag bekannt gegebene Ergebnis einer zehntägigen Bürgerbefragung, an der 63,25 Prozent der 12.300 kommunalwahl-berechtigten GroßenkneterInnen teilgenommen hatten.
Von denen stimmten 56,37 Prozent gegen Kreienborgs Pläne: Der Unternehmer wollte direkt neben der Heidemark-Putenschlachtanlage eine gleichgeartete für Broiler errichten.
Deren Kapazität hätte bei 240.000 Tieren täglich gelegen. Zwar sollte, so der im Vorfeld von der CDU/FDP-Ratsmehrheit ausgehandelte Kompromiss, ein „vorhabensbezogener Bebauungsplan“ die Schlachtzahl auf die Hälfte begrenzen. Doch diesen Vorschlag hielten die Gegner für unglaubwürdig: „Niemand kauft sich ’nen Ferrari, um im Schritttempo durch eine Spielstraße zu rollen“, so der Sprecher der Bürgerinitiative Pro Mensch, Umwelt, Tier (Pro MUT), Wilfried Papenhusen. „Und keiner baut eine Anlage für 240.000 Hähnchen – um dort dann nur die Hälfte zu schlachten.“
Besonders skeptisch stimmte dabei, dass die Änderung dieser Höchstlast-Vereinbarung jederzeit durch eine einfache Rats-Mehrheit möglich gewesen wäre. Und die ist ausgesprochen schlachtfreundlich: Als tonangebend in der örtlichen CDU gilt die Bundestagsabgeordnete Astrid Grotelüschen. Ihr Mann führt die zweitgrößte Putenbrüterei Deutschlands, sie selbst war lange im Familienkonzern tätig.
Nachdem bekannt geworden war, dass sie Dumpinglohnverträge in Puten-Schlachtereien zu verantworten hatte, blieb ihr Ende 2010 nichts anderes übrig, als vom Amt der niedersächsischen Agrarministerin zurückzutreten, auf das Christian Wulff sie erst im Mai berufen hatte.
Kreienborgs Pläne waren bis Herbst 2012 nahezu unter Ausschluss der Öffentlichkeit und ganz im Sinne des Investors behandelt worden: Als „perfekt“ hatte der damalige Bürgermeister Volker Bernasko (CDU) die Ansiedlung bereits bezeichnet.
Doch er starb überraschend – und zu seinem Nachfolger wurde SPD-Mann Thorsten Schmidtke gekürt, der sich als einziger Kandidat im Wahlkampf klar gegen das Vorhaben positioniert hatte.
Mit Schampus im Regen feierten die Schlachtfabrik-Gegner das Ergebnis. „Das gab’s noch nie!“, so Papenhusen. „Die Bürger haben hier ein Projekt gestoppt, das schon als besiegelt galt“, sagte er der taz.
Glückwünsche bekamen die Großenkneter zumal vom Vorsitzenden des niedersächsischen Bündnisses gegen Agrarfabriken, Michael Hettwer, der den erfolgreichen Abwehrkampf „ein wichtiges Signal“ nannte. Zugleich erinnerte er die schwarz-gelbe Ratsmehrheit an ihr Versprechen, dem Bürgervotum zu folgen. Man erwarte, dass sie „das nicht durch irgendwelche Winkelzüge unterlaufen“, so Hettwer.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Treffen in Riad
Russland und USA beschnuppern sich vorsichtig