Erfolg lässt sich vernichten: Wirtschaftsförderung zu Tode
Durchaus im Sinne von OHB haben Bremens Wirtschaftsförderer die seit 1996 bestehende ingenieurwissenschaftliche Firma Gauss gezielt an die Wand gefahren. Neun Mitarbeiter bekommen jetzt die Kündigung.
Die Kündigungen sind dem Betriebsrat schon in Aussicht gestellt: Die gemeinnützige "Gesellschaft für Angewandten Umweltschutz und Sicherheit im Seeverkehr mbH" (Gauss) soll zum Jahresende "stillgelegt" werden.
Neun Experten beschäftigt die 1996 auf Betreiben des Umweltbundesamtes gegründete Firma. Ihre Räume hat sie in der Hochschule Bremen. Im Jahr 2009 hat die Bremer Wirtschaftsfördergesellschaft (WFG) die Mehrheit der Anteile übernommen und Ende 2010 den über die Jahre erfolgreichen Geschäftsführer vor die Tür gesetzt. Statt seiner hat die WFG zwei neue eingestellt. Die haben die Firma offensichtlich gegen die Wand gefahren.
"Das Ende der Gauss wurde eingeläutet, als im Dezember 2010 der Arbeitsvertrag des erfolgreichen Geschäftsführers, Kapitän Christian Bahlke, nicht verlängert wurde", sagt ein ehemaliger Mitarbeiter, Kapitän Hermann Kaps. Denn "damit endete auch abrupt die Einwerbung neuer Aufträge. Die beiden von der WFB eingesetzten Nachfolger haben sich darum nicht gekümmert".
Als neuen "Geschäftsführer" stellte die WFG einen Rentner mit einem Fünfmonats-Vertrag ein, der am 30. 9. 2011 endet. Er sollte nicht neue Aufträge für die Gauss akquirieren, sondern der WFG "Handlungsoptionen" vorschlagen - offenbar war die Liquidation bereits beschlossene Sache. Liest man die Erklärungen der Bremer Wirtschaftsförderer, dann war die Gauss schon seit Jahren unwirtschaftlich. Verwunderlich nur, dass sie die Löhne ihrer hoch qualifizierten Mitarbeiter immer pünktlich zahlen konnte und bis beute nicht illiquide ist.
Fragt man die Mitarbeiter, dann gibt es ganz andere Hintergründe: Die Übernahme der Gauss-Mehrheit fiel in die Zeit, in der die Wirtschaftsbehörde die Firma Ceon gründete, um gleich danach festzustellen, dass sich die für sie vorgesehenen Aufgabengebiete mit jenen der Gauss überschnitten. Bald gab es interne Überlegungen, die beiden Gesellschaften zu verschmelzen - also den Sachverstand und die langjährigen Kontakte der Gauss der Ceon einzuverleiben und damit ihrem Geschäftsführer Stefan Holsten zu unterstellen. Der ist ein Mitarbeiter der OHB, den die Bremer Satelliten-Schmiede für diese Aufgabe freigestellt hat.
Die Gauss wehrte sich, die Verschmelzung kam nicht in Gang. Deshalb gab es Druck - von der OHB. In Mails an die staatlichen Wirtschaftsförderer und an die Deutsche Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt (DLR) mahnte Carsten Borowy von der OHB die Verschmelzung an. Zugleich empfahl er, die Ceon doch bitte so zu behandeln, als sei die Fusion schon vollzogen.
Der Hintergrund: Der Demarine-Auftrag der DLR. Für die hatte die Gauss Koordinationsaufgaben im Feld der satellitengestützten marinen Erdbeobachtung übernommen. Diesen Auftrag hätte auch die Ceon gerne übernommen - hat aber, mangels fachlichen Hintergrundes, keine Chance auf einen Zuschlag. Ende des Jahres läuft der Vertrag zwischen DLR und Gauss aus, - deren Mitarbeiter ausdrückliche Anweisung erhielten, sich nicht um eine etwaige Verlängerung zu kümmern.
Dass nun die Ceon den "Demarine"-Auftrag der DLR nun bekommt, ist aber unwahrscheinlich. Denn zu koordinieren wären Aktivitäten von OHB und Astrium. Und Astrium dürfte es kaum zulassen, dass dies ein der OHB nahestehender Geschäftsführer macht. Bei der Gauss geht man davon aus, dass die Aufträge nach Hamburg gehen.
"Die Akquise auf dem neuen Geschäftsfeld der satellitengestützten marinen Erdbeobachtung wurde von der WFB nicht zugelassen, da dieses Geschäftsfeld ausdrücklich als Daseinsgrund der WFB-Tochter Ceon erachtet wurde", heißt es in einer Erklärung der Gauss-Mitarbeiter. "Diese Aushöhlung der Gauss wurde seitens der WFB wissentlich betrieben."
Die Zuschüsse für die Gauss - maximal 100.000 Euro im Jahr - nehmen sich dabei im Verhältnis zu den Zuschüssen für die Ceon bescheiden aus: Seit dem Jahre 2009 erhielt die Ceon 1,232 Millionen Euro: Wenn fehlende wirtschaftliche Rentabilität das ausschlaggebende Argument wäre, dann hätte es längst deren Aus bedeutet.
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