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Erfolg für Wald­schüt­ze­rNestlé verzichtet auf Papier aus nordschwedischen Wäldern

Der Lebensmittelkonzern will kein Holz mehr von Europas größtem Waldbesitzer SCA kaufen. Umweltschützer hoffen, dass weitere Unternehmen folgen.

Der Lebensmittelkonzern Nestlé kauft künftig keinen Frischfaser-Zellstoff mehr, der aus den Wäldern im Norden Schwedens stammt Foto: Pierre Albouy/rtr
Anne Diekhoff

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Anne Diekhoff aus Härnösand

Sie kämpfen gegen die Abholzung alter Wälder, und damit gegen die seit Jahrzehnten geltende Normalität in Schweden. Wenn Umwelt- und Klimaschutzargumente nicht gehört werden, dann hoffentlich ökonomische: Mit diesem Gedanken richten schwedische Waldschutz-Organisationen eine Kampagne direkt an die Kunden der schwedischen Holz-Industrie. Nun meldeten sie das Erreichen eines Etappenziels: Der weltgrößte Lebensmittelkonzern Nestlé will künftig auf den Kauf von Frischfaser-Zellstoff aus den Wäldern im Norden verzichten.

„Wir haben entschieden, den Bezug von Frischfasern von Anbietern zu beenden, die in Kontroversen in Nordschweden verwickelt sind“, teilte der Konzern selbst auf seiner Website mit mit. Mit „Kontroversen“ bezieht sich Nestlé auf die kontinuierlichen Vorwürfe verschiedener Gruppen gegen Waldkonzerne wie SCA. Der nutze die schwachen schwedischen Waldgesetze und Schutzmechanismen aus, sagt etwa die Gruppe „Skydda Skogen“ („Schützt den Wald“), zerstöre immer mehr Naturwälder und damit nicht zuletzt auch die Lebensgrundlage der samischen Rentierhalter.

Der Name „Nestlé“ ist inzwischen durchgestrichen auf der Kampagnen-Website, mit der Skydda Skogen und Greenpeace seit Ende Oktober Unterschriften sammelten in der Absicht, den Druck auf die großen Kunden zu verstärken. Vor einem Jahr hatten die Organisationen Nestlé-Vertreter und die weiterer Kunden zu einer Tour durch SCA-eigene Wälder eingeladen.

Nun also machte der Lebensmittelkonzern seine Entscheidung öffentlich – nicht ohne zu betonen, dass Papier-Rohstoff aus Nordschweden nur einen kleinen Anteil des Gesamtbedarfs ausmache, im vergangenen Jahr demnach 1,72 Prozent. Bis Ende März solle dieser Anteil zu 95 Prozent durch Rohstoff aus anderen Quellen ersetzt werden.

Signal an die Regierung

Den schwedischen Organisationen geht es um den großen Namen hinter der Entscheidung. „Für uns ist das ein Zeichen, dass die schwedische Waldindustrie nicht den Standards genügt. Ein Zeichen, dass Kunden keine kontroversen Rohwaren wollen, bei deren Herstellung die Rechte indigener Völker verletzt und Naturwerte zerstört werden“, sagt Daniel Rutschman von Skydda Skogen der taz.

Die Regierung soll verstehen, dass der bisherige Weg langfristig niemandem nützt – nicht einmal der Industrie

Die Hoffnung sei, dass weitere Unternehmen dem Beispiel folgen, wenn ein so großer Konzern Nordschweden als Kunde verlasse. So soll am Ende auch die Regierung verstehen, dass der bisherige Weg langfristig niemandem nütze – nicht einmal der Industrie.

Die Geschichte vom grünen Gold aus unendlichen Wäldern ist allerdings tief verankert in der schwedischen Gesellschaft. Bäume wachsen wieder, weshalb die Industrie sich als nachhaltig präsentiert.

Die liberalkonservative Regierung hatte erst kürzlich die Ergebnisse einer von ihr beauftragten Untersuchung zur Zukunft der Waldindustrie vorgestellt. Darin ging es vor allem um die weitere Steigerung der Produktivität. „Eine ganze Reihe schlechter Vorschläge, die alle davon handelten, den Waldschutz zu verschlechtern und die Holzproduktion zu steigern“, so sieht es Waldschützer Rutschman. Die Untersuchung sei eine reine Auftragsarbeit für die Waldindustrie. Im kommenden Jahr sind in Schweden Wahlen – aber selbst bei einem Regierungswechsel werde die Waldsituation „höchstens etwas weniger schlimm“. Auch die Sozialdemokraten hätten vor allem die Industrie im Blick.

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