: Erben könnte teurer werden
Die Bundesregierung muss die Besteuerung von Erbschaften neu regeln. Linke und Gewerkschaften fordern höhere Steuern auf Kapital und Vermögen
VON HANNES KOCH
Wer heute das Haus oder die Eigentumswohnung seiner Eltern erbt, schläft ruhig. Denn er weiß: Steuern zu zahlen braucht er kaum. Selbst noble Anwesen in Köln-Rodenkirchen, Essen-Bredeney oder Hamburg-Blankenese werden vom Finanzamt erstaunlich niedrig bewertet. Weil das Bundesverfassungsgericht diese Praxis gestern als Verstoß gegen das Grundgesetz einstufte, hat nun ein Streit in der großen Koalition über die Konsequenzen begonnen.
Für verfassungswidrig halten die Karlsruher Richter, dass Immobilien und Betriebsvermögen bislang mit einem viel geringeren Wert angesetzt werden als beispielsweise Aktien und Bankguthaben. Deshalb verpflichtet das Verfassungsgericht Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat, bis Ende 2008 ein Gesetz auszuarbeiten, das alle Arten von vererbten Vermögen nach einem einheitlichen Verkehrswert einstuft (siehe unten).
Was dieses Urteil für die Politik der großen Koalition bedeutet, ist seit gestern Vormittag Gegenstand munterer Debatten. Die Lage ist nämlich die: Schwarz-Rot hat ein Gesetz auf den Weg gebracht, das die Erbschaftsteuer auf Betriebsvermögen weiter reduzieren soll. Wer den Maschinenbaubetrieb seiner Eltern erbt, bekommt die eigentlich fällige Steuer unter bestimmten Bedingungen erlassen, wenn er den Betrieb zehn Jahre weiterführt. Die Steuererleichterung soll Arbeitsplätze sichern.
„Diesen Gesetzentwurf können wir so nicht weiterverfolgen“, sagte Joachim Poß, Fraktionsvize der SPD im Bundestag, der taz. Im Karlsruher Urteil sieht Poß die „eindeutige Aufforderung für eine gerechtere Erbschaftsteuer“. Das könne auch heißen, „bei hohen und höchsten Vermögen eventuell mehr hereinzuholen als heute“, sagte der SPD-Finanzpolitiker.
Bleibt er dabei, wird Poß in den kommenden Monaten Spaß haben. Denn nicht einmal das Bundesfinanzministerium stützte gestern diese Position. Staatssekretärin Barbara Hendricks (SPD) sagte, Ziel einer Neureglung sei es nicht, Mehreinnahmen zu erzielen. Auch die CDU/CSU werde sich dafür einsetzen, „dass die erforderlichen Korrekturen nicht für die Durchsetzung deutlich höherer Erbschaftsteuerbelastungen genutzt werden“, assistierte Unionsfraktionsvize Michael Meister. Das Karlsruher Urteil sei kein Anlass, das geplante Gesetz zur Vererbung von Unternehmen in Frage zu stellen, hieß es bei der Union.
Linksfraktion und Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di nutzten die Debatte, um ein weiteres Thema anzusprechen. Sie forderten, dass Kapital und Vermögen insgesamt stärker besteuert werden müssten. Die Linken stützten sich dabei auf Statistiken, die belegen, dass wohlhabende und reiche Deutsche von den Finanzämtern ziemlich in Ruhe gelassen werden. Während hierzulande die Einnahmen aus der Erbschaftsteuer im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt 2005 nur 0,18 Prozent ausmachten, waren es in den USA 0,25, in Großbritannien 0,26 und in den Niederlanden 0,34 Prozent. Wird in Deutschland ein Personenunternehmen an die Nachkommen vererbt, beträgt die effektive Belastung 3,8 Prozent. In den USA sind es 36 Prozent. Das hat das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim errechnet. Um dies zu unterstreichen, zitierte Oskar Lafontaine, Fraktionschef der Linken, den ehemaligen Verfassungsrichter Ernst-Wolfgang Böckenförde: „Im Eigentum gerinnt die Ungleichheit der freigesetzten Gesellschaft zur Materie und wird Ausgangspunkt neuer Ungleichheiten.“
meinung SEITE 11, taz zwei SEITE 14