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■ Er flext, schweißt, schleift „und verdient au no a Geld damit“:Der Auspuff-Künstler

In der kleinen Werkstatt von Hubert Scheitle, die er sich auf dem Bauernhof seiner Eltern eingerichtet hat, könnte man auf den ersten Blick durchaus meinen, die Zeit sei stehengeblieben – wenn da nicht an der Wand das Foto eines modernen Autos aus Untertürkheim hinge. Mit Autos hat sich der 37jährige Landmaschinenmechaniker, der seit einigen Jahren in der Werkstatt der Autobahnmeisterei Mindelheim arbeitet, immer schon beschäftigt. Dienstlich und privat: an den Wochenenden hat er nämlich zu Hause immer ältere Autos repariert. Daß er seit etwa vier Jahren nicht mehr ganz soviel Zeit für Kfz-Reparaturen hat, liegt an seinem Hobby.

Hubert Scheitle stand eines Tages vor einem Berg alter Autoteile, hielt einen gerade ausgebauten Auspuff in den Händen und dachte, damit müßte man doch was anfangen können. „Ich hab' dann die Krümmer gesehen und hatte plötzlich ein Bild vor Augen“, erinnert sich der Mechaniker. Da Scheitle in seiner Freizeit auch musiziert – als Posaunist bei der Musikkapelle Eutenhausen-Mussenhausen –, war die Entstehung des ersten „Schrottmusikers“ in greifbare Nähe gerückt. Der ruhige und wenig hektisch wirkende Mechaniker begann zu flexen, zu schweißen und zu schleifen, und nach einem halben Tag war der erste „Schrott- Musiker“ fertig: ein Saxophonspieler aus einem alten Auspuff. Zwei alte Bremsscheiben bildeten die Füße, der Kopf bestand aus einem abgesägten Ölfilter. Für Hubert Scheitle, der schon in der Schule im Werken immer der Klassenbeste war, begann mit diesem ersten Stück „Auspuffkunst“ ein ganz neuer Lebensabschnitt.

Seither ist er bei einigen umliegenden Autohäusern Stammkunde – draußen im Hof, wo die Schrottcontainer stehen. „Da hole ich mir manch alten Auspuff, und da liegen auch immer abgenutzte Bremsscheiben rum.“ Andere Teile bringt er mit, wenn er mal wieder von seinem Heimatort Dirlewang ins nahe Mindelheim fährt, um auf dem Schrottplatz zu stöbern. „Da nehme ich alles mit, von dem ich denk', daß ich's mal brauchen kann. Alte Schaufeln, viel altes Werkzeug.“

Irgendwann steht dann draußen vor dem Bauernhof seiner Eltern in Mussenhausen ein verrosteter Vogel, gebaut aus einer uralten Schaufel, an die als Nase ein Teil von einem Spitzhammer angeschweißt wurde und als Ohren ein paar verrostete Beilagscheiben. Gleich daneben noch ein Vogel, Korpus auch hier ein Auspufftopf.

„Das war plötzlich so da, das hab' ich nirgendwo abgeschaut, ich hab' sowas überhaupt noch nirgends gesehen“, sagt Hubert Scheitle und zeigt auf seine neueste Schöpfung: den Auspuffhund. Ein kleinerer Auspufftopf hatte ihn animiert und der Wachhund des Nachbarn, der so gemütlich in der Sonne hockte, als sei das der Lebenszweck schlechthin. „Ein paar Autohäuser haben schon mal was ausgestellt, damit ihre Kunden sehen, was man aus den alten Sachen alles machen kann“, freut sich der Schrottkünstler, der im Frühjahr und Herbst immer wieder mal auf Allgäuer Hobbymärkten zu sehen ist.

Die Ideen kommen ihm bei den unterschiedlichsten Gelegenheiten. In der kleinen Werkstatt auf dem Bauernhof der Eltern hängt seit kurzem ein Hubschrauber aus Baustahlresten. „Das ist mir beim Fernsehen eingefallen“, meint Schrottkünstler Scheitle. „Da habe ich einen Krimi gesehen, in dem ist ein Hubschrauber vorgekommen, und plötzlich wußte ich, was ich mit dem Baustahl anfangen könnte.“ Ab und zu hört er schon ein paar neidische Stimmen, vor allem auf den Märkten. „In Niederrieden war's, das werde ich nie vergessen. Da kommt ein älteres Ehepaar, und sie meint zu ihrem Mann, schau mal, wir schmeißen das alte Gelumpe weg, und der schweißt es zusammen und verdient au no a Geld damit.“ Diese Leute, sagt Hubert Scheitle ganz selbstbewußt, hätten nun mal kein Verständnis von Kunst.

Daß es in jüngster Zeit immer mehr Schrottkünstler gibt, kümmert ihn wenig. Er kommt mit der Umsetzung der Aufträge seiner immer neuen Ideen gar nicht nach. Schließlich wachsen in Mussenhausen und Dirlewang die Bäume auch nicht in den Himmel. Jeden Morgen fährt der Landmaschinenmechaniker Hubert Scheitle zu seiner Arbeitsstelle und freut sich, wenn er hin und wieder mal ein ganz neues altes Teil entdeckt, wie jüngst diesen Überdruckkessel einer alten Heizung. „Das könnte einen Pfau geben“, sinniert er. „Oder einen Elefanten.“ Klaus Wittmann

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