Episodenfilm "1. Mai": Initiation per Barrikade
Jacob und Pelle aus Minden wollen Action, der Berliner Knirps Yavuz den Kommunismus verstehen und Veteran Harry Barrikaden bauen. Und alle treffen sich am 1.Mai in Kreuzberg.
Am Ende treffen sich alle im Urbankrankenhaus. Jacob und Pelle aus Minden, die mit dem ersten Mai in Berlin der wohlbehüteten Langeweile ihres Vorstadtvillenlebens entkommen wollen. Uwe, der Polizist, der in der Krise ist. Die Frau geht fremd und er geht deshalb - um das irgendwie auszugleichen - am Rande seines Einsatzes in einen Puff. Nur stellt er sich da so ungeschickt an, dass es zu Verwicklungen kommt. Schließlich Harry (toll gespielt von Peter Kurth), der einzige Held in dem spannenden Episodenfilm von Sven Taddicken, Jakob Ziemnicki, Carsten Ludwig und Jan-Christoph Glaser. Für ihn hat der erste Mai noch eine politische Bedeutung.
Als die "Bullen" an dem besetzten Haus, in dem er wohnt, vorbeiziehen, beginnt der füllige Alt-Autonome, von seinen Hausbesetzerkollegen belächelt, gleich wieder, aus allerlei Gerümpel eine Barrikade zu bauen. Und Yavuz, der elfjährige Berliner Türke, der gegen das Verbot seines älteren Bruders beim ersten Mai dabei sein will, hilft ihm. Dann geraten beide in eine Wegrennsituation, die in Harrys Wohnung endet, wo der aufrechte Linke dem kleinen Yavuz erklärt, dass es "Kommunismus", nicht "Komputismus" heißt und dass Kommunisten alles teilen. Das Bier zum Beispiel.
Stolz zeigt er ihm auch eine Reliquie des großen ersten Mai von 1987, als ganz Kreuzberg sich bei Bolle bediente. Die Flasche Bier steht in einer Vitrine. Auf einem Tisch liegt eine Zwille. Damit schießt Yavuz die schöne Flasche kaputt und der vormals so ruhige Harry verliert kurzzeitig seine Beherrschung.
Lose werden die einzelnen Geschichten miteinander verknüpft und durch anderes - queere Theatervorstellung, Jugendgang, Es auf einer Party, türkische Familienszenen - ergänzt. Für alle ist dieser erste Mai eine mit Abenteuer, Gewalt und Angstlust verbundene Initiation.
Das Kreuzberg in diesem Film ist überraschend authentisch; die einzelnen Figuren sind mit Respekt gezeichnet und durchgehend gut besetzt. Vor allem beeindruckt Cemal Kubasi, der mimisch sehr schön veranschaulicht, wie es langsam in dem kleinen Yavuz arbeitet, als Dinge geschehen, die sein bisheriges Weltbild ins Wanken bringen. Darüber, ob die große Katastrophe notwendig war, von der man nun erfährt, lässt sich streiten.
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