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Entwurf des SelbstbestimmungsgesetzesEin bisschen Fortschritt

Nicole Opitz
Kommentar von Nicole Opitz

Das alte, diskriminierende Transsexuellengesetz ist endlich bald Geschichte. Das neue Gesetz sollte nicht weiter verwässert werden.

Marco Buschmann und Lisa Paus bei der Vorstellung der Eckpunkte des Selbstbestimmungsgesetzes Foto: Felix Zahn/imago

N a endlich! Es gibt einen Referentenentwurf zum Selbstbestimmungsgesetz. Die Ministerien der Justiz von Marco Buschmann (FDP) und Familie von Lisa Paus (Grüne) haben sich geeinigt. Der Entwurf zeigt: Mit der FDP ist immerhin ein bisschen Fortschritt im (Queer-)Feminismus zu haben. Ein Feminismus zwar, der mit wirtschaftsliberalen Interessen auf jeden Fall vereinbar sein muss und viele Wenn und Aber vorsieht, aber ein Vorankommen bedeutet.

Zum Hintergrund: Das Gesetz soll regeln, wie möglichst niedrigschwellig Vorname und Geschlechtseintrag geändert werden können. Bislang gilt das Transsexuellengesetz (TSG), das 1980 unter der diskriminierenden Annahme entstand, trans, inter und nichtbinäre Menschen seien „krank“.

Mehrere Male hat das Verfassungsgericht das TSG als verfassungswidrig eingestuft, immer wieder wurde es nachgebessert. Bis heute ist das Prozedere für Betroffene teuer und entwürdigend: Um den Geschlechtseintrag anzupassen, sind Gerichtsverfahren und zwei psychologische Gutachten nötig. Wann bekamen Sie Ihre Schamhaare? Wie oft masturbieren Sie? Niemand sollte diese Fragen beantworten müssen, wenn es um die Änderung des Geschlechtseintrags geht.

Das Gesetz wird mit großer Hoffnung von trans, inter und nichtbinären Menschen erwartet, die nichts weiter wollen als einen respektvollen Umgang. Den will die Bundesregierung mit dem „Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag“ schaffen.

Es ist vorgesehen, dass der Geschlechts­eintrag sowie der Vorname künftig auf dem Standesamt geändert werden können. Nach einer dreimonatigen Wartezeit ist die Änderung gültig. Kinder und Jugendliche sollen mit dem Einverständnis ihrer Sorgeberechtigten Vornamen sowie Geschlechtseintrag ändern können. Vieles im Entwurf trägt die Handschrift der FDP, etwa die dreimonatige Wartezeit, die in den veröffentlichten Eckpunkten nicht angedacht war.

Sonderklausel beim Hausrecht

Auch soll es eine gesonderte Klausel zum Hausrecht geben. Demnach ist beim Eintritt in Frauensaunen und Umkleidekabinen das Geschlecht im Personenstandsregister nicht ausschlaggebend. Das ist nicht gerade liberal. Im Gesetzentwurf wird betont, dass es die Rechtslage im Hausrecht nicht verändert. Allerdings ist eine betonte Erwähnung in diesem Zusammenhang eine absurde Verschiebung der Debatte. Der Entwurf ist also schon jetzt ein Kompromiss und sollte von der Regierung nicht noch weiter abgeschwächt werden.

Wenn es zu weiteren Beschlüssen kommt wie etwa zur gesundheitlichen Versorgung von trans, inter und nichtbinären Menschen, ist man in der Koalition hoffentlich mutiger. Auch FDP-Männern würde dadurch nichts weggenommen.

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Nicole Opitz
Redakteurin
Seit 2019 bei der taz. Interessiert sich vor allem für Feminismus, Gesundheit & soziale Ungleichheit. BVHK-Journalismuspreis 2023.
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3 Kommentare

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  • Der Entwurf atmet leider in weiten Teilen den Geist organisierter Transfeindlichkeit, erkennbar an den in solchen Kreisen mangels Faktenwissen höchst populären Fantasie-Szenarien, in denen Männer mal eben zum Spaß den Geschlechtseintrag ändern. Dass man als trans Person in diesem Land sofort Mensch zweiter Klasse ist und sich das kein cis Mann freiwillig antun würde wird dabei ebenso übersehen wie die völlige Weltfremdheit der von der FDP an die Wand gemalten Bedrohungsszenarien.

    In der Realität ist es nun mal so, dass in Schutzräumen überhaupt keine Kontrolle des Geschlechtseintrags erfolgt - wie auch, in meinem Personalausweis ist wie bei allen anderen Menschen in Deutschland schließlich gar kein Geschlecht vermerkt. Ich nutze als trans Frau übrigens auch ohne Personenstandsänderung Frauentoiletten. Ob ich solche "Schutzräume" nutzen darf, ist keine Frage von Verwaltungsakten, sondern ob ich weit genug als cis Frau durchgehe, um dort geduldet zu werden. Da wird nach Äußerlichkeiten diskriminiert, wie wir es als Frauen, egal ob cis oder trans, leider überall gewohnt sind.

    Im Saunafall würde es auch so laufen - jedenfalls theoretisch, ich kenne nämlich keine einzige trans Frau, die sich ohne perfektes Passing in Saunen traut, die sich nicht bereits eindeutig als trans-inklusiv positionieren. Hier kommt dann noch als weiterer Diskriminierungsfaktor die verbreitete Mischung aus Hass und Fetischisierung hinzu, der sich unoperierte oder noch nicht operierte trans Frauen ausgesetzt sehen.

    Der Gesetzesentwurf befeuert diese Ausgrenzung, statt ihr entgegenzuwirken. Er produziert eine aufgebauschte Phantomdebatte, die keine einzige cis Frau vor Übergriffen schützt, die aber das legitimierende Hintergrundrauschen für Übergriffe auf trans Frauen schafft, statt uns sichere Räume zuzugestehen, die auch wir benötigen. So sieht 2023 unser Alltag in diesem Land aus.

    • 6G
      663534 (Profil gelöscht)
      @Elon Musk kommt nicht ins Berghain:

      Ich denke doch, dass es (wenige) Männer gibt, denen nichts mehr etwas bedeutet und schon gar nicht ein Geschlechtseintrag bei einer staatlichen Institution, die sich mal zum "Spass" als Frau registrieren lassen könnten. Dieses Problem darf man aber nicht den Transsexuellen anlasten, ebenso wie eine sexuell motivierte Straftat eines Transsexuellen niemals allen Transsexuellen angelastet werden dürfte- das wäre klar menschenfeindlich.

      Ich sehe daher auch die Transsexuellen als die Opfer der gegenwärtigen Debatte, weil sie mehr oder weniger mit sexuell motivierten Straftaten in Zusammenhang gebracht werden, was nicht sein darf.

      Aber trotzdem ist es so, dass viele Frauen aufgrund von Gewalterfahrungen Angst vor (fremden) Menschen haben, die wie Männer aussehen und dass -insbesondere im Strafvollzug (eine ohnehin schon traumatisierende Situation) Ängste von Frauen bis in das Unermessliche getriggert werden können, wenn sie dort Menschen ausgeliefert sein könnten, die wie Männer aussehen. Es gibt Frauen, die nach sexuell motivierten Straftaten das Haus nicht mehr allein verlassen können und die noch nicht einmal mehr mit Handwerkern alleine in der Wohnung sein können etc. Dass diese Handwerker vielleicht keine Menschen sind, die zu Straftaten fähig sind, dass die Handwerker, die aussehen wie Männer, sich vielleicht als Frauen empfinden oder was auch immer, das dringt zu solchen Frauen nicht durch solange sie diese Personen nicht besser kennen und zu ihnen Vertrauen gefasst haben.

      Was ich auch absolut befürworte und fordere sind Schutzräume überall und sofort für Transsexuelle (besonders im Strafvollzug wo ja niemand freiwillig ist). Es wäre mE ein unerträgliches Verbrechen, wenn man Transsexuelle gegen deren Willen im Strafvollzug für Männer unterbringt wegen einer für mich auf der Hand liegenden Gefährdungslagen.

      Welche gesetzliche Regelung würden Sie denn begrüßen? Was wünschen Sie sich neben Schutzräumen (wie ich verstanden habe)?

  • Es ist falsch zu behaupten, die Einschränkungen kämen von der FDP. Ganz im Gegenteil haben hier Linke und Grüne viel mehr Einwände, weil sie befürchten dass Frauenräume gefährdet sind.