piwik no script img

Entwicklungshilfeministerium feiertDie Niebel-Schelte des Präsidenten

Dirk Niebels Ministerium feiert sich selbst zum 50. Geburtstag, alles ist harmonisch. Bis Bundespräsident Christian Wulff eine bemerkenswerte Rede hält.

Zwei Männer, zwei Ansichten zur Entwicklungspolitik. Bild: dpa

BERLIN taz | Der Ort ist bewusst gewählt, ein echter Festsaal. Das Konzerthaus am Gendarmenmarkt ist gefüllt mit internationaler Prominenz, eine Percussion-Band trommelt, es gibt Cocktails und Kerbelvinaigrette mit warm geräuchertem Bachsaibling und Flusskrebsschwänzen. "Ernährungssicherung ist ja auch ein Teil unserer Arbeit", frotzelt Dirk Niebel. Es ist Montagabend in Berlin. Das Entwicklungsministerium (BMZ) feiert 50. Geburtstag.

Doch aus der Feierstunde ragt nicht nur die exquisite Verköstigung heraus, sondern auch eine besondere Rede, es ist die von Bundespräsident Christian Wulff. Und die ist eine voller Spitzen in Richtung des umstrittenen FDP-Entwicklungsministers Niebel. Der zwar nur zwei von fünfzig Jahren das Haus leitete, aber in dieser Zeit weit mehr in seinem Politikfeld verändert hat, als dies manchem recht ist. Offenbar gehört auch Christian Wulff dazu.

Sietenhiebe in drei Akten

Akt 1: ein Witz über den Start der Amtszeit Niebels. "Manchmal scheint es so, als hätte das Entwicklungsministerium auch seine Ministerinnen und Minister ein wenig verändert", sagt Wulff. Gelächter. Zu Beginn galt Niebel als desinteressiert am eigenen Ministerium.

Akt 2: ein Seitenhieb auf den Veränderungsdrang des Ministers. "Wir dürfen unsere Partner nicht mit immer neuen Konzepten überfordern", sagte Wulff. Und ergänzte zum Thema Eigenverantwortung in Entwicklungsländern: "Konzepte wie Hilfe zur Selbsthilfe gibt es schon lange."

Und zum Ausklang, Akt 3, wurde der Bundespräsident grundsätzlich: "Die Idee eines Interessenausgleichs brauchen wir auch in Zukunft: Fairness untereinander - Verantwortung füreinander." Die Nachricht: Niebels immer wiederkehrender Wunsch nach der Abschaffung des Ministeriums, ob vor zwei oder in 50 Jahren, hat bei Wulff keine Chance.

Was will Wulff?

Auch zwischen diesen drei Akten immer wieder Stellen, die Niebel geärgert haben dürften: Wulff betonte, Entwicklungspolitik begründe "sich aus einer moralischen Verpflichtung, aus Solidarität und Nächstenliebe heraus" - Niebel redet am liebsten von Eigeninteressen. Und: Wulff sagte, Entwicklungspolitik stütze sich im Kern auf "überparteilichen Konsens", betonte zudem in seiner Rede, dass sein Dank "allen" Ministern des BMZ gelte. Aber mit Niebel gab es so viele Parteikonflikte wie selten in dem Feld. Zuletzt direkt um die Feier herum, als Niebel betonte, er arbeite daran, SPD-Spuren im Ministerium zu tilgen.

Bleibt die Frage, was will der Bundespräsident? Offiziell, so will es das Protokoll, wird eine Rede des Bundespräsidenten nicht weiter kommentiert. Aber Wulff steht in der Tradition von Bundespräsidenten, die sich oft sehr um die Armut in der Welt gekümmert haben - zuletzt Amtsvorgänger Horst Köhler. Zudem fehlt Wulff neben der Integrationspolitik ein weiteres Thema zur Profilierung. Er scheint es nun, zwischen Cocktails und Flusskrebsschwänzen, gefunden zu haben. Fraglich, was Dirk Niebel davon hält.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

11 Kommentare

 / 
  • MH
    Martin Hofmann

    Diese "Frotzelei" mit Ernährungssicherung ist ja eine unglaubliche Geschmacklosigkeit. Was geht in diesem Mann vor?

  • VS
    Volker Seitz

    Ein sehr wichtiger Satz aus der Wulff-Rede wird leider nicht erwähnt:"Junge Afrikaner haben heute ihre eigene Ideen wie sie ihre Zukunft gestalten wollen,ihnen geht es weniger darum welche Ressourcen wir zur Verfügung stellen, sondern wie sie ihre eigenen Ressourcen mobilisieren können."

    Die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte, dass sich Entwicklung von außen nicht steuern lässt, werden bei uns nicht zur Kenntnis genommen. Es gibt zwar keine überzeugenden Argumente für immer mehr Geld wenn die Impulse für Entwicklung nicht aus dem Land selbst kommen, aber die Lobbyisten, die von der Hilfe leben, finden immer neue Gründe für die Erhöhung der Budgets.

    Volker Seitz, Autor "Afrika wird armregiert"

  • W
    willy

    "Zudem fehlt Wulff neben der Integrationspolitik ein weiteres Thema zur Profilierung."

    -Er hat doch ein Thema. Es heisst: Wulff!

  • S
    Sontag

    Schon witzig, wie Sie die Worte unseres Präsidenten drehen, wringen und wenden, bis endlich etwas Gehaltvolles dabei herauskommt. Bei Ihren Interpretationen ist aber offenbar der Wunsch der Vater des Gedankens.

  • GS
    Gerd Schnepel

    Selten, daß man sich über Reden eines Bundespräsidenten "freuen"kann; aber wenn dieser Entwicklungsidiot Niebel eins auf die Nase bekommt, ist alles recht. Muchas gracias, Herr Wulff!

  • T
    T.V.

    Wenn die paar uneindeutigen Worte schon das höchste der Gefühle sind, gratuliere ich den beiden mal schon zu den nächsten Flußkrebsschwänzen auf meine Kosten. Wohl bekomms.

  • P
    polyphem

    "..Zudem fehlt Wulff [.....] ein weiteres Thema zur Profilierung. Er scheint es nun, zwischen Cocktails und Flusskrebsschwänzen, gefunden zu haben. .." Das war wohl Nichts. Und wie wir wissen: Frau Merkel fürchtet sich vor Nichts (und Niemand). Sie integriert Alles und Nichts. Darum zog ein Nichts ins Schloss Bellevue.

  • A
    ausderrollegefallen

    Ein Bundespräsident, der einen Minister vor dessen Ministerium so mit Spitzen eindeckt, das hätte keiner der vorherigen Bundespräsidenten getan. Man möge mir meine Ehrlikeit verzeihen: Ich habe bei Wulffs Wahl gedacht, es würde keine Rolle spielen, ob Gauck oder er gewählt würde. Ich habe mich geirrt.

  • PA
    Pedda Arndt

    Jaja, die Nächstenliebe...

    Natürlich ist Entwicklungshilfe purer Eigennutz, sei es nun zur persönlichen Gewissensberuhigung und Selbstverwirklichung, als Druckmittel gegen Unwillige oder einfach Korruption. Wer wirklich etwas ändern wollte, würde an anderen Punkten ansetzen, etwa Wirtschafts- oder Einwanderungspolitik. Ist selbstverständlich aber nicht so angesehen, wie ein paar Krumen vom reichgedeckten Tisch fallen zu lassen und das auch noch mit grosser Geste. Ehrlichkeit wäre der Anfang für Änderungen, wir bleiben lieber bei der Selbstbeweihräucherung und Täuschung.

     

    pedda

     

    P.S.: Das Captcha für den Eintrag hier ist "Brot", doch noch was zum Schmunzeln...

  • V
    vic

    Wulff wird mir noch sympathisch, wenn das so weitergeht;)

  • A
    Auge

    Na das ist doch ganz einfach....Niebel abschaffen!