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Archiv-Artikel

KOMMENTAR VON DOROTHEA HAHN ZU DEN USA NACH DER SCHIESSEREI VON NEWTOWN Entwaffnung von ganz oben

Wer der Waffenlobby Paroli bieten will, darf nicht auf den Kongress hoffen

Die USA haben viele historische Momente verpasst, um ihre Zivilisten zu entwaffnen. Während andere Länder nach blutigen Konflikten die Schusswaffen aus dem Verkehr ziehen und das als Beitrag zur Befriedung betrachten, haben die USA am Ende ihres Unabhängigkeitskriegs das Recht auf Schusswaffenbesitz in ihrer Verfassung verewigt.

Mehr noch: Sie haben es als „Notwendigkeit für die Sicherheit eines freien Staates“ definiert. Und zugelassen, dass die Privilegien der Schusswaffenfreunde jede technologische Erneuerung und jede gesellschaftliche Veränderung überstehen und ihre Interessengruppen politisch immer mächtiger geworden sind.

So weit, so schlecht. Doch diese Entwicklung ist keineswegs unveränderbar. In der Geschichte hat es schon mehrfach Situationen gegeben, in denen das Erstarken der Waffenlobby zumindest vorübergehend abgebremst werden konnte. Eine davon war Ende der 1960er Jahre, nachdem John F. Kennedy und Martin Luther King ermordet worden waren; eine andere Anfang der 1990er Jahre, als Ronald Reagan ein Attentat überlebt hatte. In beiden Fällen kam es, nach jeweils langen und extrem kontroversen Debatten, zu verstärkten Schusswaffenkontrollen – vorübergehend.

Heute, nach der Schießerei in Newtown, bei der zwanzig kleine Kinder und sechs Erwachsene starben, ist erneut ein historischer Moment, in dem es möglich scheint, ein wenig Vernunft in die Schusswaffendebatte zu bringen. Und zumindest die größten Exzesse – darunter die Bewaffnung von Zivilisten mit Kriegsgerät wie halbautomatischen Schnellfeuerwaffen – zu stoppen.

Eile ist geboten. Denn schon bald werden die moralische Empörung und der Ruf nach strengerer Schusswaffenkontrolle wieder von der finanz- und lautstarken Lobby der Waffenfreunde übertönt werden. Wer ihnen Paroli bieten will, darf nicht auf den Kongress hoffen. Dort sind Abgeordnete, die es wagen, sich gegen die Schusswaffenlobby zu stellen, in der Minderheit. Die meisten anderen haben zu viel Angst, nicht mehr wiedergewählt zu werden.

Etwas verändern kann sich nur von ganz oben. Barack Obama und sein Vizepräsident Joe Biden tun genau das Richtige, wenn sie jetzt mit höchster Priorität versuchen, die Schusswaffenkontrolle zu verstärken. Und wenn sie notfalls gegen den Willen des Kongresses handeln.