piwik no script img

Entscheidung im Fall „Altermedia“Hassportal mit Ziel „Volksverhetzung“

Das OLG Stuttgart verurteilt die vier Portalbetreiber von „Altermedia“ als Rädelsführer und Mitglieder einer kriminellen Vereinigung.

Seine Mitangeklagten bekommen Bewährung – aber der Informatiker Ralph K. muss ins Gefängnis Foto: dpa

Stuttgart taz | Das Oberlandesgericht Stuttgart hat die Betreiber des rechtsex­tremen Hassportals Altermedia verurteilt. Sie hätten eine kriminelle Vereinigung gebildet und Volksverhetzung betrieben. Die Freiheitsstrafen wurden überwiegend zur Bewährung ausgesetzt.

Der deutsche Ableger des internationalen Nazi-Netzwerks Altermedia war 2003 von Axel Möller gegründet worden. Es war das zentrale Portal für Nazi-Hetze, Rassismus und Holocaust-Leugnung in Deutschland.

Als Möller 2011 wegen Volksverhetzung ins Gefängnis musste, übernahmen die heute 49-jährige Jutta V. und der 29-jährige Ralph K. das Portal. Zwischen 2012 und 2016 wurden dort 209.000 Beiträge und Kommentare veröffentlicht. Täglich wurde Altermedia mindestens 7.500 Mal aufgerufen. Anfang 2016 verbot Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) die Seite. Seitdem hat sich kein vergleichbares Portal mehr etabliert.

Das Oberlandesgericht (OLG) stufte Altermedia jetzt als „kriminelle Vereinigung“ ein. Ziel sei die Begehung von Straftaten gewesen, insbesondere von Volksverhetzung. „Auf Altermedia sollte jede rechtsextremistische Position veröffentlicht werden, auch wenn sie strafbar ist“, sagte der Vorsitzende Richter Herbert Anderer. Als die Betreiber auf den offensichtlichen Beitrag eines Holocaust-Leugners hingewiesen wurden, hatte Jutta V. geantwortet: „Der Beitrag bleibt.“ Dabei wurden alle Beiträge vorab geprüft.

Die Prüfung beschränkte sich aber darauf, ob sie gegen die rechte Ausrichtung der Seite oder gegen russische Gesetze verstoßen. Da der Server in Russland stand, wurde zum Beispiel Kritik an Präsident Putin nicht freigeschaltet. Insgesamt wurden nach Angabe des Gerichts rund zwanzig Prozent der Beiträge und Kommentare nicht freigegeben.

Jutta V. und Ralph K. wurden als arbeitsteilige „Rädelsführer“ der kriminellen Vereinigung verurteilt. V. soll für die inhaltliche Ausrichtung zuständig gewesen sein, der Informatiker K. für die technische Infrastruktur. V. erhielt eine Bewährungsstrafe von zwei Jahren, K. eine Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren. Irmgard T. (64) und Talmara Sch. (62) wurden als Mitglieder der Vereinigung zu Bewährungsstrafen von 15 und 8 Monaten verurteilt. Allen vieren wurde auch Volksverhetzung vorgeworfen, weil sie entsprechende Beiträge geschrieben oder freigegeben hatten.

Richter Anderer zeigte sich ratlos, was die Motivation der Täter angeht. „Wie kann man sich so über andere erheben und über das Leid anderer lustig machen?“. Er vermutete, dass sich Jutta V., die zuletzt in einem Callcenter arbeitete, wohl beruflich unterfordert gefühlt hatte und „endlich mal zeigen wollte, welche Chef-Qualitäten in ihr stecken“. Bewährung wurde ihr gewährt, weil sie der Polizei sofort nach dem Verbot die Passwörter zum Server mitteilte und so eine schnelle Schließung der Altermedia-Seite ermöglichte. Sie hatte auch ein umfassendes Geständnis abgelegt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare