Entschädigung für Lacrosse-Spieler: Profiteure eines Irrtums
Von angeblichen Vergewaltigern zu Topfavoriten: Wie ein Skandal um Sex und Rassismus die Lacrosse-Meisterschaft beeinflusst.
![](https://taz.de/picture/390664/14/AP080508054717.jpg)
Es hätte anders kommen können. Sie könnten noch vor Gericht stehen. Oder schon im Gefängnis sitzen, anstatt Lacrosse zu spielen. Sie könnten verfolgt werden von Paparazzi, die Zukunft ungewiss, ein schrecklicher Vorwurf im Raum - anstatt auf den Sportseiten in den Schlagzeilen zu sein als großer Favorit auf die College-Meisterschaft. Es hätte auch anders kommen können. Ganz anders. So sah es jedenfalls aus, damals.
Damals, das war das Frühjahr 2006. Eine schwarze Stripperin zeigte drei weiße Spieler des Lacrosse-Teams der Duke University an, sie wäre von ihnen bei einer Mannschaftsparty vergewaltigt worden. Sex, Rassismus, arrogante Sportstars, ein neuerlicher Eklat im eh schon skandalumwitterten College-Sport: Die Geschichte war ein Traum für die Journaille, und nicht nur für die vom Boulevard. Die Spekulationen wuchsen ins Kraut, der Campus in Durham, North Carolina, war von Medien belagert, die Hysterie wuchs mit jedem Tag. Die drei verdächtigen Spieler wurden verhaftet, andere erhielten Todesdrohungen. An den Wänden in Durham tauchten Poster im Layout von Steckbriefen auf, darauf die Namen und Porträtfotos des gesamten Lacrosse-Teams.
Die Universität entließ den Trainer und zog die Mannschaft mitten in der Saison aus dem laufenden Spielbetrieb zurück. Es war fraglich, ob in Durham jemals wieder Lacrosse gespielt werden würde. Mancher forderte gar, den gesamten College-Spitzensport abzuschaffen.
Heute, zwei Jahre später, steht Duke im Viertelfinale der College-Meisterschaft und ist überwältigender Favorit auf den Titel. Nur ein einziges Spiel hat man im Laufe der Saison verloren, die Siege wurden souverän und im Schnitt mit mehr als acht Toren Differenz eingefahren. Und das ist auch eine Folge des Skandals.
Denn die Vorwürfe erwiesen sich als falsch, die Vergewaltigung als erfunden. Es gab wohl rassistische Ausfälle, aber der Fall kam nie vor Gericht, stattdessen wurde ein allzu übereifriger Staatsanwalt verurteilt. Doch das Kind war in den Brunnen gefallen, die Polizei von North Carolina, die Medien der USA hatten ihr Sebnitz erlebt.
Die Universität beantragte daraufhin eine Verlängerung der Spielberechtigung für alle Mitglieder des vorverurteilten Lacrosse-Teams. Überraschenderweise gab die College-Sport-Verwaltung NCAA dem statt: Fünf der wichtigsten Spieler stehen nun schon im fünften Jahr im Team - statt der üblichen vier Jahre, die man eigentlich nur an der Uni Sport treiben darf. Darunter auch Matt Danowski, Sohn des neuen Trainers und vor einem Jahr zum besten Spieler im College-Lacrosse gewählt.
Die Konkurrenz ist nicht begeistert von der Extrawurst für die renommierte Universität. "Nichts gegen die Jungs an der Duke", sagte Dom Starsia, der Trainer der ebenfalls im Viertelfinale stehenden University of Virginia, "aber die NCAA hat sich offensichtlich keine Gedanken gemacht, welche sportlichen Folgen ihre Entscheidung haben könnte." Die Mannschaft von Duke sei, fasst Starsia das Grummeln der Konkurrenz zusammen, "auch aufgrund ihrer ungewöhnlichen Erfahrung" die mit Abstand beste in diesem Jahr.
Das, kontert man beim Favoriten, sei ja nun einfach nur fair. Schließlich hätten gute Spieler wegen des Skandals das College an der Ostküste verlassen und neue Talente, die sich bereits für Duke entschieden hatten, ihre Zusage zurückgezogen. "Das haben wir uns verdient", sagt trotzig Tony McDevitt, einer der Profiteure der Ausnahmeregelung. "Wir hätten das lieber auch in vier Jahren abgewickelt", ergänzt Trainer John Danowski, "aber meinen Jungs wurde zu Unrecht etwas weggenommen." So gesehen ist nun also alles gekommen, wie es kommen musste.
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