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Entmachtung von ProfessorenEine technische Revolution

Die TU Berlin hat sich eine neue Grundordnung gegeben – und mit Einführung der Viertelparität die Macht der ProfessorInnen radikal beschnitten.

Studierende der TU haben künftig ein paar Worte mehr mitzusprechen. Bild: dpa

BERLIN taz | Der Beschluss ist historisch: Am Mittwochnachmittag hat der erweiterte Akademische Senat der Technischen Universität (TU) eine neue Grundordnung beschlossen – mit einer sogenannten Viertelparität. Damit verlieren die ProfessorInnen ihre Vormachtstellung und befinden sich künftig auf Augenhöhe mit Studierenden und anderen Mitarbeitern. Das ist berlinweit einzigartig.

„Der Beschluss ist ein riesiger Schritt für die universitäre Demokratisierung“, freut sich Patrick Ehinger, studentischer Vertreter im erweiterten Senat. Seit Jahrzehnten fordern Studierende die Einführung der Viertelparität. Bisher halten in den Führungsgremien der Unis eisern die ProfessorInnen die Mehrheit – so auch an der TU, wo der erweiterte Senat 61 Mitglieder hat: 31 aus der Professorenschaft und je 10 Studierende, akademische und nicht akademische Mitarbeiter.

„Schon x-mal durchdiskutiert“

Am Mittwoch schrieb das Gremium nun Geschichte: Nach Angaben von Teilnehmern wurde in geheimer Abstimmung mit 35 zu 22 Stimmen für die neue Grundordnung votiert – inklusive Viertelparität. Künftig sollen jeweils 15 Mitglieder aller vier Gruppen im erweiterten Senat vertreten sein. Der wählt das Uni-Präsidium, prüft die jährlichen Rechenschaftsberichte und diskutiert Grundsatzfragen. Ein von Professoren eingebrachter Antrag, die Neuzusammensetzung erst noch juristisch zu prüfen, wurde abgelehnt.

Die Universitätsleitung war am Nachmittag nicht mehr für eine Stellungnahme erreichbar. Laut Teilnehmern hatte die Mehrzahl der ProfessorInnen die Machtbeschneidung als „schon x-mal durchdiskutiert“ abgelehnt, einige aus der eher linken „Reformfraktion“ befürworteten diese aber auch. Studentenvertreter Ehinger, der einer parteiungebundenen Fachschaftsinitiative angehört, lobte das Votum als „klares, politisches Statement für mehr Gleichberechtigung“.

Die letzte Entscheidung liegt nun bei Wissenschaftssenatorin Sandra Scheeres (SPD). Ihre Verwaltung hatte im Vorfeld der Wahl rechtliche Bedenken angemeldet. Man werde den Beschluss "intensiv anschauen" und juristisch prüfen, sagte ein Sprecher von Scheeres. Offenbar wird befürchtet, dass sich die Hochschule mit der neuen Machtteilung dauerhaft lähmt.

Ehinger hält das für unbegründet, da der erweiterte Senat nicht über die zentralen Fragen der Forschung und Lehre entscheide. „Wir sind bereit, mit dem Beschluss bis vors Bundesverfassungsgericht zu gehen, sollte die Bildungsverwaltung klagen.“

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3 Kommentare

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  • EB
    Energieberater Berlin

    Die TUB profitiert von Berlin als attraktivem Standort, so dass trotz im Vergleich mit anderen TUen beschränkten finanziellen Mittel für Berufungen dennoch oft gute Berufungen gelingen.

     

    Die Möglichkeiten bei Berufungen entscheiden vor allem darüber, ob die TUB im Vergleich zu anderen technischen Universitäten gut dasteht.

     

    Danach wäre es wünschenswert, wenn misslungene Berufungen, also schlechte Professoren, etwa durch eine deutschlandweite Regelung, dass die Erstberufung auf 5 Jahre befristet ist, nicht bis zur Altersgrenze ertragen werden müssen.

     

    Wir haben damals als Studenten darum gekämpft, dass einem solchen schlechten Professor auch der wissenschaftliche Mitarbeiter entzogen wurde. Da die Studierenden andere Profs mit guter Forschung und Lehre nachfragten, gab es wenig für diesen WM zu tun.

     

    Wie kommt DErIng nur auf den absurden Gedanken, wenn etwa Studierende mehr Einfluss auf Entscheidungen nehmen, dass dies zwingend ein Nachteil für die Qualität von Forschung und Lehre sein muss? Meine Erfahrungen als Studierendenvertreter in allen Gremien der TUB, auch in Berufungskommissionen, waren andere.

     

    Wir wollten schon lange Professuren, die Umweltschutz/Effizienz und andere damals noch besondere Themen erforschen. Schauen Sie mal, wieviel Geld Siemens heute mit den entsprechenden Geschäftsbereichen macht. Wir haben Studienbüros im Rahmen einer Strukturreform herausverhandelt, Studiengänge werden in Untergremien der Fakultätsräte sogar mit studentischer Mehrheit entwickelt, und vieles mehr, was die TUB heute stärkt.

     

    Es spricht also wenig dagegen, die Viertelparität im erweiterten AS einzurichten. Ich erwarte vom Berliner Senat, dass dies erkannt wird. StS Gäbler kennt die Vorgänge an der TUB ja noch von damals, nur als Beispiel.

  • D
    DerIng

    Die TU Berlin liegt unter den technischen Universitäten der BRD ganz hinten und wird bald die rote Laterne tragen, Qualitätslehre sieht anders aus!

  • SB
    Siegfried Bosch

    Ob das vor Karlsruhe bestand haben wird? Die haben ja schließlich schon die Bremer Drittelparität für verfassungswidrig erklärt:

    "Soweit gruppenmäßig zusammengesetzte Kollegialorgane über Angelegenheiten zu befinden haben, die Forschung und Lehre unmittelbar betreffen, müssen folgende Grundsätze beachtet werden:

    a) Die Gruppe der Hochschullehrer muß homogen, dh nach Unterscheidungsmerkmalen zusammengesetzt sein, die sie gegen andere Gruppen eindeutig abgrenzen.

    b) Bei Entscheidungen, welche unmittelbar die Lehre betreffen, muß die Gruppe der Hochschullehrer der ihrer besonderen Stellung entsprechende maßgebende Einfluß verbleiben. Diesem Erfordernis wird genügt, wenn diese Gruppe über die Hälfte der Stimmen verfügt.

    c) Bei Entscheidungen, die unmittelbar Fragen der Forschung oder die Berufung der Hochschullehrer betreffen, muß der Gruppe der Hochschullehrer ein weitergehender, ausschlaggebender Einfluß vorbehalten bleiben.

    d) Bei allen Entscheidungen über Fragen von Forschung und Lehre ist eine undifferenzierte Beteiligung der Gruppe der nichtwissenschaftlichen Bediensteten auszuschließen."

    (siehe http://www.servat.unibe.ch/dfr/bv035079.html)

    Auch wenn der erweiterte Senat nicht die "zentralen Fragen von Forschung und Lehre" entscheidet, scheint mir das nicht mit dem Urteil vereinbar zu sein. Es wäre nur dann vereinbar, wenn der erweiterte Senat wirklich gar nichts zu entscheiden hätte -- und dann wäre es keine Entmachtung der Professoren mehr.

    Aber natürlich gibt es immer noch die Möglichkeit, dass das BVerfG heute anders entscheidet als damals.