Entlohnung der Berliner Abgeordneten: Politiker haben genug von ihrer Diät
Die Abgeordneten möchten sich ihre Diäten um 250 Euro erhöhen, Bund der Steuerzahler findet das "obszön". SPD-Politiker Gäbler: "Ich finde es nicht obszön, das zu tun, was im Gesetz steht".
Die Überlegung war kaum öffentlich, da kam schon die erwartete Klatsche. Als "schlichtweg obszön" bezeichnet der Bund der Steuerzahler Überlegungen im Abgeordnetenhaus, die seit 2001 unveränderten Diäten um über acht Prozent zu erhöhen. Konkret hieße das, auf derzeit monatliche 2.951 Euro bruttorund 250 Euro draufzulegen. Eine Diätenkommission, in der auch der Steuerzahlerbund vertreten ist, hatte weniger als zwei Prozent mehr vorgeschlagen, konkret 54 Euro. Pro Jahr würde eine Erhöhung, wie sie den Fraktionen vorschwebt, den Landeshaushalt rund 457.000 Euro kosten. Die Entscheidung trifft das Parlament selbst.
Die wiederkehrende Diskussion um eine Diätenerhöhung hat seinen Ursprung im Landesabgeordnetengesetz. Das sieht zwar als Maßstab vor, den Parlamentariern halb so viel zu zahlen wie einem Stadtrat im Bezirksamt. Der verdient auf Besoldungsstufe B4 monatlich 6.412 Euro brutto. Nach sieben Nullrunden war die Kluft zur Hälfte des B4-Gehalts auf 255 Euro angestiegen. Zugleich aber gibt das Gesetz vor, auch die allgemeine Einkommensentwicklung in der Bevölkerung zu spiegeln.
Vor dem Hintergrund der Finanzkrise und des schwächelnden Landeshaushalts hatte daher die Diätenkommission, in der auch der Rechnungshof und die Gewerkschaft Verdi vertreten sind, eine vergleichsweise geringe Erhöhung vorgeschlagen. Dem Steuerzahlerbund ging bereits das zu weit - er forderte eine weitere Nullrunde.
Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Christian Gaebler, wehrte sich gegen die Vorwürfe des Steuerzahlerbunds. "Ich finde es nicht obszön, das zu tun, was im Gesetz steht", sagte er. Dort sei nun mal das Stadtratsgehalt als Orientierung festgeschrieben. "Wir holen nur nach, was diese Beamten zwischen 2001 und 2009 hinzu bekommen haben." Diesen Standpunkt stützen am Dienstag im Grundsatz die Fraktionen von Linkspartei, CDU und FDP. Allein Grünen mochten keine Stellungnahme abgeben.
Einzelne Abgeordnete lehnen höhere Diäten ab. "Ich bin ja durchaus der Meinung, dass wir zu wenig Geld bekommen", sagte Sven Kohlmeier (SPD) aus Marzahn-Hellersdorf, "aber eine Erhöhung kann ich bei mir im Wahlkreis nicht vermitteln." In seiner Fraktion stehe er damit aber "allein auf weiter Flur".
Die von den Fraktionen angestrebte Diät von rund 3.200 Euro entspräche dem durchschnittlichen Monatsverdienst von Vollzeitbeschäftigten in Berlin: Das Statistische Landesamt kam bei einer Erhebnung für das Jahr 2006 auf 3.159 Euro in den Bereichen produziertendes Gewerbe, Handel sowie Kredit- und Versicherungsgewerbe.
Im Vergleich zu anderen Bundesländern bekämen Berliner Abgeordnete dennoch weiter wenig Geld. Geringere Diäten bekommen lediglich die Mitglieder der Bürgerschaften in Hamburg und Bremen mit rund 2.500 Euro monatlich - in Bayern hingegen sind es 6.641. Als Begründung gilt stets, dass das Abgeordnetenhaus ein Halbtagsparlament sei, was in der Praxis aber bei vielen Abgeordneten nicht zutrifft.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland