Entlassungswelle in Deutschland: Siemens streicht tausende Stellen

In Deutschland wird der Technologiekonzern 3.200 Mitarbeiter abbauen oder auslagern. Die Telefonsparte wird ausgedünnt - weltweit müssen 6.800 Mitarbeiter gehen.

Tausende Siemens-Mitarbeiter verlieren ihren Job. Bild: dpa

Der Technologiekonzern Siemens will sich in der verlustreichen Telefonanlagensparte Siemens Enterprise Networks (SEN) von 6.800 der weltweit 17.500 Mitarbeiter trennen. Hintergrund ist der Umbau des einstigen Elektronik-Weltmarktführers hin zu einem Software-geprägten Unternehmen. Zum einen will der Konzern 3.800 Stellen streichen, davon bis zu 2.000 in Deutschland. Zum anderen will Siemens baldmöglichst einen Teil der Werke und SEN-Callcenter verkaufen. Von dieser Konzernabspaltung werden weltweit rund 3.000 Mitarbeiter betroffen sein, davon rund 1.200 in Deutschland. "In absehbarer Zeit" soll dann schließlich auch der sanierte SEN-Rest verkauft werden.

Betroffen sind fürs Erste vor allem München mit 450 geplanten Stellenstreichungen und das Werk im griechischen Thessaloniki. Davongekommen ist dagegen das Werk in Leipzig. Zwar müsse auch dieser Standort neu ausgerichtet werden, aber hier sehe man "für die nächsten Jahre kein Risiko". Die betroffenen Mitarbeiter sollen in eine Transfergesellschaft überführt werden und nach Möglichkeit in andere Konzernbereiche übernommen werden. Bei anderen "Umstrukturierungen" hätte es dabei eine Übernahmequote von 80 Prozent gegeben. Derzeit seien in Deutschland über 3.000 Stellen bei Siemens unbesetzt.

Der bayerische IG-Metall-Chef Werner Neugebauer kritisierte den rasanten Konzernumbau. "Bis heute fehlt es an einem offensiven Gesamtkonzept. "Nur Personal abbauen und verkaufen" sei verantwortungslos. Siemen-Finanzvorstand Joe Kaeser beteuerte am Dienstag in München dagegen, dass der Konzern verantwortungsvoll handle. "Es wird kein zweites BenQ geben!" Der Mobiltelefonbereich war nur ein Jahr nach dem Verkauf an BenQ pleite gegangen und hatte 3.000 deutsche Mitarbeiter in die Arbeitslosigkeit gerissen. "Es gab eine ganze Reihe von Dingen, die wir aus BenQ lernen konnten", versicherte Kaeser. Diesmal verkaufe man nicht "gutgläubig", sondern werde sich absichern.

Und vor allem will Siemens diesmal seine darbende Sparte erst selbst aufpäppeln und dann "ausfinanziert und schuldenfrei" komplett verkaufen. Um das zu schaffen, kündigt Siemens nicht nur, sondern sucht auch einen Partner. Entweder einen strategischen, also einen Mitwerber, der später alle Anteile übernimmt. Oder einen Finanzinvestor, bei dem man allerdings auf Seriösität und Erfahrung achten werde. "Das Investorenmodell ,Ich kaufe günstig und verkaufe teuer und höhle zwischenzeitlich die Firma aus' gibts nicht mehr und das ist auch gut so", versicherte Finanzvorstand Kaeser. Als mögliche SEN-Partner gelten in Branchenkreisen der bisherige Konkurrent Alcatel-Lucent und der Investor Cerberus, der auch an der Telekom beteiligt ist.

Klar scheint, dass es in der nächsten Zeit noch mehr "Struktur"-Pressekonferenzen des Konzerns mit derzeit 400.000 Mitarbeitern geben wird. Ein niedergeschlagen wirkenden Personaldirektor Siegfried Russwurm erklärte gestern, der Technologiewandel treffe Siemens-Mitarbeiter gleich zweifach. Es gehe zunehmend nicht mehr um Produktfertigung, sondern um Softwareentwicklung. Und dazu würden auch weniger Mitarbeiter benötigt.

Keine Fabrik mehr

"Wo früher ein Mann zum Kunden geschickt wurde, übernehmen das Softwarespezialisten, die sich über Internet einloggen", sagte Russwurm. Und hängte einen Satz an, der nichts Gutes verheißt für die Siemensianer: "Langfristig wird es keine klassischen Fabriken mehr geben." Betroffen sein könnte als nächstes die Sparte SHC, die etwa die berühmten Gigaset-Telefone herstellt. Natürlich leide man auch in dieser Sparte unter Preisdruck, erklärte sein Kollege Kaeser auf Nachfrage, um gleich nachzuschieben: "Die Mitarbeiter fertigen gute Produkte, dabei wollen wir es belassen." So lautet jedenfalls die Aussage am gestrigen Dienstag.

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