: Entfernte Rock-Verwandte
Hier wunderbar halsstarriges Bohème-Liedgut, dort umwerfend hyperaktiver New-Wave-Extremismus: „The National“ und „The Locust“ heute in Hamburg
Es sind zwei allenfalls entfernt verwandte Spielarten von, nun, alternativ vielleicht zu nennender Rockmusik, die da heute Abend ums teilkongruente Publikum konkurrieren. Und doch nimmt sich der Autor dieser Zeilen die Freiheit heraus, an der eigenen Unentschiedenheit, wer da nun zu favorisieren sei, die geneigte LeserInnenschaft teilhaben zu lassen.
Allerbeste Kurzweil auf höchstem spielerischen Niveau und die mit Abstand beste Insektenkostümierung versprechen da The Locust: Die Kalifornier drehen die Virtuositätsverliebtheit alter und neuerer Kunststudentenmusiken – Prog-Rock und Devo-New Wave – durch den Grindcore-Wolf und gießen das herauskommende Gebräu in superschnelle Stücke, die häufig kürzer sind, als es dauert, ihre Titel anzusagen. Großes Kino also, nicht unbedingt allerdings für dann und wann auch mal dem Romantischen Zuneigende.
Für die sind, ein paar Straßen weiter, The National zuständig: Deren Sänger Matt Berninger, darin immer wieder an Leonhard Cohen erinnernd, klingt müde, selbst wenn er gerade mal ein, zwei Zeilen gegrummelt oder hervorgepresst hat. Folgerichtig, dass auch seine Texte vom Angestrengtsein am Leben künden. Dazu spielen die Gebrüder Dessner und Devendorff – an Gitarren, Bass und Schlagzeug – eine Art famos spätnächtlichen Existenzialisten-Rock.
Es mag daran liegen, dass sie eigenlich aus Ohio kommen, dass sie dabei eher nach der Ödnis einer Vorstadt klingen als nach der Verzweiflung gemeiner Großstädter; ihrer heutigen Heimat im größtenteils reichlich hippen Brooklyn zum Trotz heißt die Band ja auch weiterhin nicht „The Nationals“.
Auch beim inzwischen vierten Hamburg-Besuch von The National gilt wieder: Hier steht ein Abend allerbester Melancholie zu erwarten. Und wohin gehen wir nun heute Abend? aldi
The Locust und Kill Me Tomorrow: heute, 21 Uhr, Molotow; The National und Film School: 22 Uhr, Tanzhalle