Enquetekommission : Alles auf Anfang
Wer gestern der Abgeordnetenhausdebatte zuhörte, der konnte den Eindruck gewinnen, es gehe hier um zwei verschiedene Abschlussberichte: Alle fünf Fraktionen lobten die mehr als einjährige Arbeit der Enquetekommission „Eine Zukunft für Berlin“. Doch dem staatstragenden Lob für die 19 Parlamentarier und Experten, die Berlin einen Weg aus der Finanz- und Wirtschaftsmisere weisen sollten, folgte stets das große „Aber“. Der Erfolg der Kommission ist also nach dem Ende ihrer Arbeit so ungewiss wie zu ihrem Beginn.
KOMMENTAR VON MATTHIAS LOHRE
Nur mit einem Dickicht aus so genannten Minderheitenvoten haben die Kommissionsmitglieder einen Weg gefunden, sich zu strittigen Themen nicht zusammenraufen zu müssen. Die CDU stemmt sich gegen Einschnitte bei den Beamten? Die PDS will nichts von Privatisierungen landeseigener Unternehmen hören? Keine Einigung bei der Frage, wer die schmerzhaft gesparten Landesgelder bekommen soll? Kein Problem. Jeder stimmt ab, wie er will. Am Ende steht ein Minderheitenvotum. Das klingt besser als „Uneinigkeit“. Schon dadurch hat die ohnehin schwache Stimme der Enquetekommission an Kraft verloren.
Am Ende hat selbst diese Sammlung von Minderheitenentscheidungen nur den Segen von neun der 19 Kommissionsmitglieder bekommen. Die anderen enthielten sich. „We agree to disagree“ heißt das im Diplomatenjargon. Dem Ansehen und den Vorschlägen der Kommission hat das nicht geholfen.
Zugegeben: Die nun vorgelegten Ergebnisse müssen nicht „in die Schubladen der Verwaltung und Politik“ wandern, wie die Kommissionsvorsitzende Sibyll Klotz fürchtet. Die Parteien können die 113 Seiten Papier auch als Minimalkonsens akzeptieren, hinter den niemand zurück kann. Tatsächlich wären die hier versammelten Thesen vor fünf Jahren revolutionär gewesen im lange realitätsblinden Berlin.
Doch der rot-rote Senat wollte die Enquetekommission von Anfang an nicht. Vor allem PDS-Vertreter haben ihren Unmut oft genug gezeigt. Das verheißt nichts Gutes: Der Senat wird kaum willig sein, Vorschläge dieser angeschlagenen Kommission aufzunehmen. Berlin könnte sich rasch dort wiederfinden, wo es vor der Kommission stand.