piwik no script img

Englische Premier LeagueGekloppe de luxe

"Ein Team, das für seine Schönheit bekannt ist, verspürt eine perverse Genugtuung, hässlich gewonnen zu haben": Arsenal London verbucht einen wegweisenden Sieg über Chelsea.

Arsenals Alexander Hleb (fallend) wird hier von Chelseas Paolo Ferreira umgelegt. Bild: dpa

LONDON taz Was die auf der Insel berüchtigten mind games, die Psychospielchen unter den Trainern, angeht, muss Avram Grant noch kräftig üben. Kein böses Wort über Arsenals mutmaßlich fragile Schönspieler war ihm vor dem Londoner Derby über die Lippen gekommen, dafür hatte er die Reporter mit einer vorzüglichen Humoreinlage überrascht. Welche Verkleidung er bei Chelseas Weihnachtsfeier vor einer Woche getragen hatte? "Ich kam als Chelsea-Trainer", sagte Grant vergnügt.

Grant, der nach 16 ungeschlagenen Spielen in Serie kürzlich einen Vierjahresvertrag unterschreiben durfte, wurde im vor Einsatz, Spannung und roher Gewalt schier überbordenden Emirates Stadion gnadenlos als Gaukler demaskiert. "Wir spielen jetzt attraktiveren Fußball", behauptet der Israeli seit Monaten. Doch wenn das vom Pay-TV-Sender SKY großspurig als Grand Slam verkaufte Treffen der vier Spitzenklubs etwas deutlich machte, war es die Stagnation an der Stamford Bridge. Chelsea ist wie eh und je auf Konter ausgerichtet; man spielt passiv-aggressiv wie unter José Mourinho, nur etwas schlechter.

Ohne den verletzten Ivorer Didier Drogba funktioniert die urbritische Langballtaktik der Blauen nicht. Andrej Schewtschenko mühte sich als einzige Spitze am Sonntag redlich, mehr nicht. Die Gäste kamen erst zu Chancen, als Grant notgedrungen auf ein 4-4-2 umstellte, um den Ausgleich zu erzielen. Dass die Partie bis zum Schluss atemberaubend abwechslungsreich blieb, war jedoch in erster Linie Arsenals vergeblichen Bemühungen geschuldet, jeden Konter mit dem Tor des Jahrhunderts abzuschließen. "Wir hätten einen Punkt verdient gehabt", konnte Grant angesichts des knappen Ergebnisses behaupten. Vielleicht kauft es ihm Eigentümer Roman Abramowitsch sogar ab.

Arsenal bleibt nach dem 1:0-Erfolg mit einem Punkt vor Manchester United an der Tabellenspitze. Liverpool und Chelsea sind aufs Erste distanziert. Richtig glücklich machte Trainer Arsène Wenger jedoch die für seine Mannschaft eher ungewöhnliche Art des Sieges: Arsenal, das vor lauter Freude am kunstvollen Spiel schon mal in Selbstzweifeln versinkt, wenn irgendein Liga-Raufbold Pinsel und Staffelei zerbricht, setzte der Brutalität der Gäste neben Technik auch rohe Kraft entgegen. "Wir waren hart und haben uns nicht dominieren lassen", freute sich der Franzose. In der ersten Hälfte erinnerte das Derby an folk football, jene mittelalterlichen Stammeskämpfe, aus denen das moderne Spiel einst hervorging. "Taktisch blockiert" sei das Match gewesen, sagte Wenger - das war euphemistisch formuliert. Der Rasen wurde reichlich mit Gift und Galle gedüngt. Der Ball blieb vor lauter Feindseligkeit oft einfach stecken, auf dem Platz rollten nur die rücklings gefoulten Spieler. Da Schiedsrichter Alan Wiley seine rote Karte anscheinend vorher versehentlich in einem Briefumschlag als Weihnachtsgruß verschickt hatte und es folglich bei neun Verwarnungen beließ, übten die Geschädigten munter Selbstjustiz. Chelseas Kapitän John Terry, der Cesc Fábregas von hinten angesprungen hatte, bekam postwendend Emmanuel Eboués Stollen gegen den Knöchel und musste noch vor der Halbzeit raus. Joe Cole rächte Terry dann mit einer Grätsche, die Eboués Patellasehne lädierte. Gekloppe de luxe war das, eine Keilerei auf hohem Niveau, bei der das Spielgerät oft störte. Selbst ausgewiesene Feingeister wie Tomas Rosicky und Alex Hleb rauschten wie Berserker in die Zweikämpfe, auch sie hatte der von Herz und Schmerz geprägte Strudel der Gewalt mitgerissen.

"Ein Team, das für seine Schönheit bekannt ist, verspürt eine perverse Genugtuung, hässlich gewonnen zu haben", schrieb der Guardian über Arsenals Vorstellung. Auf Grant dagegen kommt ein schwieriges Weihnachtsprogramm zu. Terry droht länger auszufallen, Drogba fehlt weiter und fährt dann wie Michael Essien und Salomon Kalou bald zum Afrika-Cup. Michael Ballack wird dringend gebraucht. Schon am Mittwochabend könnte der Nationalmannschaftskapitän sein Comeback im Ligapokal gegen den FC Liverpool geben. "Wir werden ihn am Montag untersuchen, dann wissen wir, ob er spielen kann", sagte Grant. Von attraktivem Fußball sagte er übrigens nichts.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!