Energieschleuder: Lompscher toleriert Pilzbefall
Die Umweltsenatorin findet Heizpilze vor Kneipen "idiotisch", will sie aber trotzdem nicht verbieten. Rechtlich sei das unmöglich. Das sehen Experten anders. In Köln sind die Strahler schon untersagt.
Es gibt wenig Sinnloseres, als draußen zu heizen. Doch damit ihre Gäste es warm haben, stellen viele Berliner Café- und Restaurantbesitzer auf Terrassen und Bürgersteigen Heizpilze auf. "Klimapolitisch ist das vollständig idiotisch", sagte die Umweltsenatorin Katrin Lompscher (Linke) am Montag im Umweltausschuss des Abgeordnetenhauses. Trotzdem will sie vorerst nichts gegen die heißen Pilze tun. Sie habe das Straßengesetz prüfen lassen: Die Rechtslage gebe kein Verbot her.
Das sehen Kenner anders: "Eine solche Regelung könnte in das Berliner Energiespargesetz aufgenommen werden. Da hat das Land Spielräume", sagte Stefan Klinski, Professor für Umweltrecht an der Fachhochschule für Wirtschaft Berlin, der taz. So könnte das Beheizen von Freiflächen allgemein untersagt werden. Es wundere ihn, dass sich die Senatorin auf das Straßengesetz beziehe; das sei bei dieser Frage nicht naheliegend.
Ähnlich sehen das die Grünen. "Wenn wir Nachtspeicheröfen verbieten können, muss das auch bei Heizpilzen möglich sein", erklärte ihr umweltpolitische Sprecher, Michael Schäfer, im Ausschuss. Er verwies Lompscher auf das Energiespargesetz und forderte sie zum Handeln auf. Lompscher antwortete eher flapsig: "Handeln müssen in diesem Fall die Gastwirte." Man könne nicht für alles ein Verbot erlassen. Sie setze auf gesellschaftliche Aufklärung. Eine Novellierung des Energiespargesetzes stehe noch nicht an.
Ob das reicht? Das Problem wird sich verschärfen: 5.000 Heizpilze sind nach Schätzungen der Umweltverwaltung zurzeit in Berlin in Gebrauch. Zum Jahreswechsel tritt das Rauchverbot in Kraft, dann werden noch mehr Menschen vor den Kneipen sitzen und frieren - und noch mehr klimaschädliche Gaspilze aus dem Boden schießen. Ist ein Strahler voll aufgedreht, gibt er pro Stunde 3,5 Kilogramm CO2 ab. Die Grünen haben ausgerechnet, dass ein Gerät damit im Jahr so viel Kohlendioxid produziert wie ein Auto.
Der umweltpolitische Sprecher der SPD, Daniel Buchholz, verteidigte die Senatorin. Wenn man die Pilze über das Straßengesetz auf öffentlichen Bürgersteigen verbieten würde, könnten Gastwirte mit einem privaten Vorgarten oder Hof die Geräte weiterbenutzen. "Das ist für die Leute nicht nachvollziehbar."
Doch würde man so bereits viele Heizpilze erwischen. "Eine Mehrheit der Cafés und Restaurants hat ihre Außenplätze auf öffentlichen Straßen", schätzt Klaus-Dieter Richter, Vizepräsident des Hotel- und Gaststättenverbands Berlin. Er warnt vor einer nicht einheitlichen Regelung. "Wenn der eine Heizpilze benutzen darf und der andere nicht, ist das eine Wettbewerbsverzerrung. Werden sie verboten, dann für alle."
Andere Städte sind beim Thema Heizpilze engagierter als Berlin: In London hat Bürgermeister Ken Livingston die Händler aufgerufen, die Pilze wegen der Energieverschwendung nicht weiter zu vermarkten. Aus den Innenstädten von Stuttgart und Köln sind die Strahler bereits verschwunden. Über "Gestaltungsrichtlinien", also mit einer ästhetischen Begründung, haben die Verwaltungen die Heizpilze aus dem Zentrum verbannt. In Berlin wäre das auch möglich, aber sehr aufwendig, meint Professor Klinski. Eine solche Richtlinie würde auch nur für bestimmte Gebiete gelten, nicht in der ganzen Stadt.
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