Energienetze: Vier Minderheiten, ein Ziel
Alle Fraktionen in der Bürgerschaft wollen den Energiekonzernen Vattenfall und Eon die Netze wieder wegnehmen. Über das Wie und Wann einigen sie sich nicht.
Große Einigkeit in der Hamburger Bürgerschaft: Die Privatisierung der Hamburgische Electricitäts-Werke (HEW) sowie der Hamburgischen Gaswerke (Heingas) in den 1990er Jahren war falsch. Und nun soll die Stadt die Versorgungsnetze von den Konzernen Vattenfall und Eon Hanse zurückkaufen, um die Energieversorgung selbst steuern zu können.
Auf einen gemeinsamen Weg zum weitgehend unstrittigen Ziel allerdings konnten sich die vier Fraktionen im Parlament jedoch gestern nicht verständigen: Jede votierte für ihren eigenen Antrag, eine Mehrheit kam nicht zustande. Damit wurde das Anliegen der Volksinitiative "Unser Hamburg - unser Netz" nicht übernommen.
Die CDU will die Initiative zwar akzeptieren, scheut aber die finanziellen Folgen für den Haushalt. Alles müsse in Ruhe und intensiv geprüft werden, erklärte Umweltpolitikerin Birgit Stöver - das sei in dieser verkürzten Legislaturperiode nicht mehr möglich.
Auch die SPD scheut vor hohen Kosten für den Kauf der Versorgungsleitungen zurück, die sie auf "1,5 bis 3 Milliarden Euro" beziffert. Sie favorisiert deshalb "eine strategische Beteiligung", so Monika Schaal, umweltpolitische Sprecherin der Fraktion. Ein Anteil von mindestens 25,1 Prozent schwebt der SPD vor, eine Zusammenarbeit mit Vattenfall und Eon Hanse sei denkbar. Die Netze vollständig zu wollen, sei "nicht seriös", erklärte Wirtschaftspolitiker Ingo Egloff.
Das aber wollen am liebsten GAL und Linke. Für letztere ist die Angelegenheit relativ einfach: Wenn die Konzessionsverträge in zwei Jahren auslaufen, könnte die Trägerschaft an das städtisches Unternehmen HamburgWasser oder deren Tochter HamburgEnergie übergehen. Die könnten den Kauf mit Krediten außerhalb des Haushalts finanzieren - die Stadt müsste keinen Cent dazuzahlen.
Ganz so einfach sehen die Grünen es nicht: Eine Rückführung der Netze sei zwar "möglich und finanzierbar", sagte Fraktionschef Jens Kerstan. Grundlage müsse aber "ein schlüssiges Konzept für eine demokratisch kontrollierte und klimafreundliche Energieversorgung" sein. Das könne erst in der nächsten Legislatur erarbeitet werden.
Die Initiative hatte Ende August mehr als die erforderlichen Unterschriften abgeben. Das Bündnis aus Umwelt- und Verbraucherverbänden fordert, dass die Verträge mit den Energieunternehmen Vattenfall und Eon gekündigt werden. Diese betreiben heute die Netze für Gas, Strom und Fernwärme in der Hansestadt. Weil die Bürgerschaft die Inititative nicht akzeptiert hat, können ein Volksbegehren und letztlich ein -entscheid durchgeführt werden.
Die Initiative hat bereits angekündigt, den Weg zu einem Volksbegehren im Mai 2011 zu beschreiten. Darauf könnte verzichtet werden, falls nach der vorgezogenen Neuwahl eine neue Mehrheit das Anliegen doch noch übernehmen sollte.
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