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Energie-VolksentscheidDie Angst vor der Demokratie

Sebastian Erb
Kommentar von Sebastian Erb

Dass die Berliner erst nach der Bundestagswahl über die Stromnetz-Rekommunalisierung und ein Ökostadtwerk abstimmen sollen, ist zutiefst undemokratisch.

O ffensichtlicher könnte die Strategie nicht sein. Es gibt nur einen einzigen Grund, den Energie-Volksentscheid nicht zusammen mit der Bundestagwahl abzuhalten: Er soll verloren werden, weil das Quorum nicht erreicht wird. Innensenator Frank Henkel und seine CDU haben Angst, dass die BerlinerInnen für eine Rekommunalisierung des Stromnetzes und die Gründung eines Öko-Stadtwerks stimmen.

Der CDU ist ein Stadtwerk zu teuer – aber mehr als eine Million Euro zusätzlich für einen gesonderten Abstimmungstermin? Kein Problem. Jetzt auf einmal. Vor vier Jahren hat Henkel noch ganz anders argumentiert. Es sei „sowohl bürger- als auch kostenfreundlich“, den „Pro-Reli“-Volksentscheid parallel zur Europawahl durchzuführen. Henkel war damals Partei- und Fraktionschef der CDU und Oppositionsführer.

Immer das gleiche Spiel

Der rot-schwarze Senat bekommt es nicht auf die Reihe, einen substanziellen Gegenentwurf zu dem des Energietischs zu erarbeiten. Stattdessen spielen Henkel und mit ihm der rot-schwarze Senat das gleiche Spiel, das 2009 Rot-Rot spielte. Der Senat legte damals den Termin für das Volksentscheid bewusst nicht auf den Wahltag – aus taktischen Gründen.

Politisches Ziel muss es aber doch sein, dass – unabhängig vom Thema – möglichst viele BürgerInnen an einem Volksentscheid teilnehmen. Das wäre in diesem Jahr am Tag der Bundestagswahl der Fall. Alles andere ist undemokratisch. Der Regierende Bürgermeister und seine SPD-Senatoren müssen sich das zu Herzen nehmen und Henkels Vorschlag bei der kommenden Senatssitzung zurückweisen.

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Sebastian Erb
Reporter
Von 2011 bis April 2023 bei der taz. Zuletzt Reporter im Ressort Reportage & Recherche mit Schwerpunkt auf investigativen Recherchen. Er hat Sozialwissenschaften studiert und die Deutsche Journalistenschule in München absolviert. Themen u.a. Rechtsextremismus in Bundeswehr und Polizei (#Hannibal), Geheimdienste und Missstände in NGOs. Er gibt Seminare zur (Online-)Recherche. Sicher zu erreichen per Threema: 7D8P2XSV
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9 Kommentare

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  • TL
    Tim Leuther

    @Kinnal

    Keine Quoren, das ist wohl der feuchte Traum gut organisierter Minderheiten

  • K
    Kinnal

    Zustimmungsquoren (und noch viel stärker Beteiligungsquoren) laden zu taktischen Manövern und Boykottverhalten ein. Ist das Abstimmungsquorum hoch, lohnt es sich für die Gegner der Vorlage, den Abstimmungskampf zu boykottieren. Je weniger öffentliche und mediale Aufmerksamkeit und Diskussion zur Thematik der bevorstehenden Abstimmung generiert werden, desto wahrscheinlicher wird es, dass die Befürworterseite das Quorum nicht erreicht, weil Reibungsfläche und öffentliche Aktivierung fehlen. Boykottverhalten und Diskussionsverweigerung werden zur rationalen und mehrfach lohnenswerten Strategie. Zum einen können Kosten gespart werden; denn wenn die Befürworter höchstwahrscheinlich am hohen Quorum scheitern, warum Ressourcen in einen Abstimmungskampf investieren? Außerdem kann durch Boykott auch das Risiko der offenen Stimmniederlage vermieden werden, die immer eine Möglichkeit ist, wenn die argumentative Auseinandersetzung nicht gescheut wird (Jung 2009: 54). Unter den Konsequenzen leidet nicht nur die Repräsentativität des Ergebnisses, die ihren Feedback-Charakter verliert, sondern auch der wünschenswerte Bildungseffekt durch eine intensive gesellschaftliche Debatte zu der betreffenden Sachfrage.

     

    Demokratie setzt Beteiligung, Aktivität und Engagement voraus. Es ist eine Fehlsteuerung, wenn der passive Sachgegner, der zu Hause bleibt und die Kommunikation verweigert, mit dem Scheitern des ungeliebten Projekts belohnt wird.

     

    Quelle: http://www.mitentscheiden.de/argumente_zum_quorum.html

  • TL
    Tim Leuther

    @Regina

    Das Volk hat ja auch nicht abgestimmt als die Stadt das Stromnetz von der AEG abgekauft hat. Die "Einwegtheorie" stimmt hier also nicht. Es war nicht der Staat der in Berlin das Strom-Ding angefangen hat.

  • TL
    Tim Leuther

    @Regina

    Man müsste das Beteiligungsquorum nach oben anpassen. Denn bei einer mitwahl sind die Abstimmenden nicht so informiert wie bei einer Inselwahl.

     

    Man kann auch bequem per Briefwahl wählen.

     

    Die die sich beschwehren wollen nur eine virtuelle Quorenabsenkung.

  • R
    Regina

    Ich finde es unfassbar, wie hier dem antidemokratischen vorgehen der Regierungskoalition noch Legitimation ausgesprochen wird!

     

    Wo ist das Problem dabei, die Bundestagswahl für mehr Beteiligung zu nutzen?

    Schließlich kommt des Gesetzesentwurf trotzdem nur dann durch, wenn die Mehrheit mit Ja stimmt.

    Die Gefahr, dass eine Minderheit ihre Interessen durchdrückt besteht also nicht.

    Die Gefahr, die hier gewittert wird ist, dass das Volk sein Recht einfordert, repräsentiert zu werden und dieses Recht Konzerninteressen und SPD/CDU-Politik widerspricht.

     

    Wieso sollte man direktdemokratische Mitbestimmung maximal erschweren?

    Das wäre so, als würde man einen Wahltermin extra auf den 24.12 oder 1.1. legen, damit nur die hingehen, die sich wirklich dafür interessieren, statt dass der ganze politikfaule Pöbel sich beteiligt.

     

    Nur die stets ausgezeichnet informierte geistige Elite an demokratischen Entscheidungen teilhaben zu lassen, halte ich für schlicht arrogant.

    Sich für Politik interessieren zu können ist ein Privileg, das die, die es wahrnehmen nutzen sollten, möglichst vielen Menschen Teilhabe zu ermöglichen.

     

    Im Übrigen: Musste irgendjemand nachweisen, dass es im Interesse des Volkes war, die Stromnetze zu privatisieren? Nein! Und es wäre wohl auch kaum durchgekommen.

     

    Selbstverständlich habe ich die Protestmail an Herrn Henkel und die an die Senatoren unterschrieben!

  • S
    Sebastian

    Das Desaster um BER zeigt gerade, wie es um die Fähigkeit des Landes bestellt ist groß angelegte Infrastrukturprojekte zu meistern. Soll Berlin auf die Zuverlässigkeit der Energieversorgung der DDR zurückfallen?

  • TL
    Tim Leuther

    Das Volksbegehren hatte nur 227T Unterschriften. Von den 4 Volksabstimmungen hatte nur das Tempelhof-Ding weniger.

    Wird also vermutlich durchfallen.

     

    Ich finde das OK, wenn es die Leute nicht interessiert, dann braucht es sich nicht durchsetzen. Das man die Laufkundschaft der Bundestagswahl mit abgreifen will ist meiner Ansicht nach genauso Grenzwertig wie das verschieben aus taktischen Gründen.

     

    Die Zustimmungsquote von 25% sagt ja zu einem eigenen Termin mehr aus als wenn man es parallel zu einem Wahltermin veranstaltet, da sich alle Abstimmenden speziell informiert haben.

     

    Die Zusammenlegung bewirkt so etwas wie eine virtuelle Quotenabsenkung.

  • TL
    Tim Leuther

    Ja, der Vorwurf kommt immer wieder.

    Allerdings: Ein Thema das es nicht schafft aus eingener Kraft 25% der Wahlberechtigten ins Wahllokal oder nur bis zum Briefkasten zu bringen, der hat es eigendlich auch nicht verdient sich durchzusetzen.

  • D
    demokrat

    Unglaubliche Sauerei! Es gibt auf der Homepage vom Berliner Energietisch eine E-Mail-Aktion an Herrn Henkel: www.berliner-energietisch.net