Endspurt im Wahlkampf: Außen Kohl, innen hohl
■ Der Kanzler - Primus in Mainz
Die Parolen „Weiter so...“ und „Zukunft statt rot–grün“ über der Bühne der Rheingold–Halle, sie passen zu Wahlkampfkundgebungen wie dieser viel besser als die Slogans aus dem Nullwörterbuch: „Vergeß emol de ganze Kitt, setz die Kapp uff und mach mit“. Kohl in Mainz, da ist Kappensitzungs–Stimmung geradewegs nix dagegen, und wie bei den Büttenreden der Beifall mittels Tusch herausgekitzelt wird, so streut der Kanzler in seine eineinhalbstündige freie (!) Rede immer wieder Reiz–Worte, die Applaus garantieren: „... die gegen Umweltverschmutzung demonstrieren, tun doch am wenisten für die Umwelt...“ (großer Beifall), „... ich bin gewiß kein Anhänger von Rosa Luxemburg, aber einen ihrer Sätze halte ich für die deutsche Politik sehr wichtig: Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden“ (tosender Beifall). Wären die ca. hundert Jugendlichen mit ihren „Helmut, Helmut, hahaha“– und „Alles Lüge“–Rufen nicht von selbst gekommen, die CDU– Dramaturgie hätte sie ankarren müssen, ermöglichen doch die „ideologischen Schreihälse“, momentweise aufs Konkrete zurückzukommen. „Wir haben die Arbeitslosigkeit gestoppt, aber nicht gänzlich beseitigt...“, „Wir wollen Frieden in Freiheit schaffen, mit immer weniger Waffen...“, „Wir müssen Ängste überwinden, wenn wir Zukunft haben wollen...“ - zu den wirklichen Gefahren der Zeit - Arbeitslosigkeit, Hochrüstung, Tschernobyl - kam nicht viel mehr als diese vorgestanzten Sätze. Stattdessen menschelt Kohl, daß es trieft, erzählt von Sternsingern im Altersheim, von jungen Meistern, die sich selbständig machen wollen, von der Familie (die bei ihm immer noch wie „Vanille“ klingt) als Keimzelle, und davon, daß das, was im Privaten richtig sei, auch für politische Entscheidungen gelten müsse. Und daß - hier wieder ganz der Primus - seine Entscheidungen in der Vergangenheit richtig waren. Wer Zukunft haben will, meint er, muß einfach „früher aufstehen“. Den jungen Leuten im Saal empfiehlt er, ihren Altersgenossen in der DDR doch einmal zu erzählen, „wie du mit deinem Interrail–Ticket durch Europa fährst. Dann mußt du nur in die Augen deines Altersgenossen blicken - dann weißt du, was Freiheit ist...“ mbr.
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