: Emporkömmlinge von der Brehmstraße
Zahnlose Haie beim zweiten Eishockey-Playoff-Halbfinale / Düsseldorfer EG - Kölner EC 5:2 ■ Aus Düsseldorf B. Müllender
Oliver Kasper, Rechtsaußen im 2. Sturm der Düsseldorfer EG, ist ein Mann, der auf Nummer sicher geht. Als einziger Feldspieler seiner Zunft fuhr er am Sonntag beim zweiten Halbfinale eine besonders schützende Torwartmaske über das schnelle Eis spazieren. Im Sport der Zahnlosen und Vernarbten braucht der junge Mann diese besondere Sicherheit zur Schonung seiner besonderen Gesichtszüge. Für seine Zweitkarriere ist er auf ein makelloses Äußeres angewiesen, da macht er nämlich Werbeaufnahmen als Dressman.
Beim Torschuß scheint ihn die sichteinschränkende Panzerung nicht zu stören, denn schon nach 56 Sekunden im tobendvollen Eisstadion an der Düsseldorfer Brehm- straße stocherte Kasper den Puck zum 1:0 ins Kölner Netz. Der Treffer des schönen Stürmers war der Auftakt zum ersten Sieg der DEG über den Rhein-Rivalen und Abo-Meister der vergangenen drei Jahre in einem der entscheidenden Playoff-Matches seit Anfang 1985. Zwischenzeitlich hatten die Kölner Haie ihre spitze Nase zehnmal hintereinander vorn gehabt, zuletzt noch am Freitag beim glücklichen und hartumkämpften 3:2.
Die DEG fightete von Beginn an, mit Kraft und unbändiger Energie gegen die eleganteren, aber meist drucklosen Kölner. Chancen gab es allein im ersten Drittel beidseitig im Dutzend, aber die souveränen Kästchenhüter de Raaf (DEG, früher Köln) und Heiss (Köln, früher DEG) standen fast immer im Weg. Nur beim tollen DEG-Konter über Rauhbein Amann und Riesenbaby Bruce Hardy zum 2:0 und bei Gerd Truntschkas lockerem Solo zum 2:1 gab es nichts mehr zu Greifen. Steigers Ausgleich nach dem ersten Wechsel motivierte nur den Gegner, der schnell auf 4:2 davonzog - und das obwohl der Pfeifen-Methusalem Jupp Kompalla das Spiel leitete.
Auf den Krefelder, der früher bisweilen in eigens gedichteten Chorälen gefeiert wurde, sind die Düsseldorfer nämlich überhaupt nicht mehr gut zu sprechen. Schon mehrfach, besonders arg beim 2:3 am Freitag, haben sie ihn als Haiefreund und Schieber gesehen. Deshalb bekam Kompalla schon beim Einlaufen einige riesige Hundertmarkscheine entgegengereckt und wurde bös ausgepfiffen. Er reagierte mit Anti-Konzessionsentscheidungen, und schickte, trotz einiger klarer Kölner Fouls, bis zur 38. Minute keinen Hai für zwei Minuten vom gefrorenen Wasser. Immerhin, wegen des eigenwilligen Flötisten kochte die Stimmung noch ein bißchen mehr als sonst.
Auf den richtigen, den ganz großen Erfolg, wartet Düsseldorf seit nunmehr 14 Jahren, als es den letzten Meistertitel gab. Immer neue Spieler sollten es möglich machen, immer ging es schief. Jetzt will der Club nochmal richtig klotzen, und kauft was der Markt hergibt. Die Brüder Gerd und Bernd Truntschka, Schwenningens Talent Willmann und den Kölner Nationalstürmer Didi Hegen. Mit dem sowjetischen Star-Verteidiger Fetisow wurden Verhandlungen geführt, und Mitte Februar bekannte der Torjäger von ZSKA Moskau, Sergej Makarow, er werde ab 1990 von der Wolga an den Rhein wechselt.
Geld wie Heu
Geld scheint keine Rolle mehr zu spielen, seit der Club vom Saubermann Josef Klüh, dem Chef des 13.000-Mitarbeiter -Reinigungsimperiums „Klüh Cleaning“ geführt wird. Der besorgte allerlei Sponsoren (Altbier, Computer), wofür das traditionelle Rot-Gelb aufgegeben, und das Team in ein merkwürdiges Türkis gesteckt wurden. Klüh ganz kühl: „Erst jetzt fährt bei uns auf dem Trikot rund eine Million Mark per anno rum.“
Allmählich wächst bei den Düsseldorfer Fans auch die Unzufriedenheit, bei mäßigen Leistungen in dieser Saison zu happigen 22 Mark für eine Stehplatzkarte. Die eigene Stadionzeitung der Fans, eine erstaunliche Düsseldorfer Besonderheit, attestiert den eigenen Cracks, manchmal „wie eine Primadonna“ zu spielen, kritisiert „die Einstellung einiger Spieler“ in einer bisweilen „unmotivierten, übertrainierten Truppe“, und fordert mehr Nachwuchsarbeit statt Großeinkäufe.
Im Schlußdrittel, trotz des 2:4, spielen die Haie immer zurückhaltender, so daß auch den vielen Altbiergedopten Fans klar sein müßte, daß eine Niederlage den Meister gar nicht sonderlich schmerzt. Alles Absprache? Schließlich bedeutet der DEG-Sieg mindestens ein Spiel mehr, und entsprechend mehr Zuschauer- und Fernseheinnahmen. Bevor das entscheidende 5:2 fällt, verlegen die Stehplatzchoräle ihre Aufmerksamkeit vom immer langweiligeren Eis Richtung Sitztribüne und versuchen, die graumelierten, bepelzten und durchgestylten Schickerias zur „Welle“ zu animieren. Doch der Mangel an Solidarität in jenen Gesellschaftskreisen verhindert erfolgreiche Runden aufs kläglichste: Immer wieder erheben sich nur einzelne der oft schweren Schwerreichen, und müssen dann als plötzliche Emporkömmlinge mitansehen, wie sie von den anderen schmählich dort oben alleine gelassen werden.
Hier gilt es für das „beste Eishockey-Publikum der Welt“ noch einiges zu trainieren, sonst wird es mit dem nächsten Meistertitel nie etwas. In diesem Jahr wäre er, urteilen selbst die eigenen Fans in ihrer Zeitung, „für diese Mannschaft nicht gerecht“.
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