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Embryonenschutzgesetz vor der VerabschiedungEinfallstor für die Eugenik

■ Am Mittwoch wird im Bundestag ein Gesetz verabschiedet, das von der Bundesregierung als die „weltweit restriktivste Regelung“ im Bereich des Embryonenschutzes und der Technologie zur künstlichen Befruchtung gerühmt wird. Kritiker aber behaupten, es öffne nach wie vor jede Menge Schlupflöcher für die Wissenschaft 1

Nicht alles, was technisch machbar ist, darf auch gemacht werden, gab Bundesjustizminister Engelhard (FDP) 1986 als Richtschnur aus. Kennzeichnend für die Debatte über die Embryonenforschung und die Fortpflanzungstechnologien ist, daß auch fünf Jahre später keine Einigkeit darüber herrscht, was denn nun erlaubt ist und was verboten gehört — die technischen Möglichkeiten sich allerdings in dieser Zeit mit rasender Geschwindigkeit fortentwickelt haben. Das morgen zur Verabschiedung anstehende „Embryonenschutzgesetz“ ist von diesem Spannungsfeld verschiedendster Interessen geprägt. Es ist gleichermaßen ein Kompromiß zwischen Forschern, die am liebsten kein Gesetz hätten und auf die liberalere Haltung von Engländern, Franzosen, Italienern und Spaniern hinweisen („Es kann nicht sein, daß man woanders nobelpreisverdächtig ist und hier für die selbe Sache ins Gefängnis geht“) sowie Lebensschützern und Kirchen, die auf ein striktes Verbot drängen. So ist ein Gesetz herausgekommen, das die Bundesregierung wegen des nahezu totalen Verbots der Embryonenforschung als die „weltweit restriktivste Regelung“ rühmt und andererseits jede Menge Schlupflöcher für die Wissenschaft öffnet.

Das Gesetz, mit dem auch die künstliche Befruchtung erlaubt wird, ist zugleich Ausdruck eines Scheiterns. Denn von dem Versuch einer umfassenderen Regelung der Fortpflanzungstechnologien, über die die für das Gesundheitsrecht eigentlich zuständigen Bundesländer jahrelang debattierten, ist wenig geblieben. So unüberbrückbar waren die Gegensätze, daß nunmehr lediglich die rechtlichen Fragen geregelt werden, die in Bundeskompetenz fallen. Herausgekommen ist dadurch ein reines Strafgesetz — und dazu noch ein schlechtes, denn die entscheidende Frage der Verbotskontrollen ist überhaupt nicht geregelt. Verboten wird der Gentransfer in menschliche Keimbahnzellen, die Verwendung menschlicher Embryonen ausschließlich zu Forschungszwecken und das „Klonen“ von genetisch identischen Menschen-Kopien. Strafbewehrt ist auch die Herstellung von Hybrydwesen mit einer Mischung aus Mensch und Tier. Ausgeschlossen hat der Entwurf der Bundesregierung auch „gespaltene Mutterschaften“, bei denen die austragende Frau eine andere als die Ei- Spenderin ist, sowie die Leihmutterschaft.

Doch so rigide sich die Bestimmungen geben, so zahlreich sind die Unschärfen oder Ausnahmen in dem lediglich 12 Paragraphen umfassenden Gesetz. Das beginnt bei der Verwendung von Embryonen zu Forschungszwecken. Es dürften bei der erlaubten In-vitro-Fertilisation (Retorten-Befruchtung) nicht mehr als drei Embryonen innerhalb eines Zyklusses auf die Frau übertragen werden. Damit soll die Entstehung „überzähliger“ Embryonen ausschließlich für Forschungszwecke verhindert werden. Doch Wissenschaftler gestehen ein, daß überzählige Embryonen in der Praxis zwangsläufig entstehen würden. Ob daran geforscht wird oder nicht, läßt sich kaum kontrollieren. Denn das „Opfer ist denkbar klein, nicht vernehmungsfähig und leicht zu beseitigen“, sagt Dan Leskien, Mitarbeiter des Gen-ethischen Netzwerks.

Qualitätsmaßstab für gesunden Nachwuchs

Kritikwürdig ist auch die eigentlich verbotene Manipulation an den Erbinformationen der Keimbahnzelle. Wird die Keimzelle nämlich nicht zur Befruchtung verwendet, ist auch die künstliche Veränderung der Erbinformationen nicht mehr strafbar. Begründung: sie bringe „in Hinblick auf das künftige menschliche Leben außerordentlich wertvolle Erkenntnisse“. Eine Formulierung, die die Befürchtung vieler Kritiker nährt, das Verbot gelte nur, solange mit den Forschungsergebnissen noch nichts anzufangen sei. Die Geschlechtswahl wird ausdrücklich verboten. Doch eine Ausnahme wird von den Kritikern des Gesetzeswerkes besonders scharf verurteilt: Straffrei bleibt, wenn die Geschlechtswahl das Kind vor einer geschlechtsgebundenen Erbkrankheit bewahrt. Mit dem formulierten Qualitätsmaßstab für gesunden Nachwuchs werde, so fürchten Kritiker, ein „Einfallstor für Eugenik“ (SPD) geschaffen, dem sich Frauen kaum entziehen könnten, und Behinderte würden künftig noch weiter diskriminiert.

Kurios auch die Argumentation des Regierungslagers zum Tieffrieren der Embryonen. Auf ein Verbot wurde trotz immer wieder betonter Absicht verzichtet. Eine Konservierung sei „ausnahmsweise zuzulassen“, wenn der Gesundheitszustand der Frau den Transfer des im Reagenzglas befruchteten Embryos nicht zulasse — zum Schutz werdenden Lebens also. Die Verabschiedung des Gesetzes — längere Zeit war unsicher, ob dies überhaupt noch in dieser Wahlperiode sein werde —, wurde durch den Streit um die künstliche Befruchtung verzögert. Die SPD sprach sich zwar ebenfalls für die künstliche Befruchtung aus, unterlag aber mit dem Vorschlag, diese sollte nur vorgenommen werden, wenn tatsächlich eine körperliche und nicht nur eine psychische Ursache für die Unfruchtbarkeit vorliegt. Die Sozialdemokraten wollten außerdem die In-vitro-Fertilisation nicht nur in der Ehe erlaubt sehen, sondern auch in „auf Dauer angelegten Partnerschaften“. Dies aber lehnte die Unionsfraktion wegen des Schutzes der Ehe ab. Der Forderung der Sozialdemokraten, Samenspenden, also die Befruchtung durch Dritte, generell zu verbieten, aber mochte die CDU nicht folgen: In der Ehe soll der dritte Mann erlaubt sein.

Im Unterschied zu den Sozialdemokraten, die den Anspruch formulieren, die positiven Möglichkeiten nutzen zu wollen und den Mißbrauch zu unterbinden, lehnen die Grünen das Gesetz vollständig ab und fordern ein generelles Verbot. Für sie liegt bereits in der Technologie selbst eine nicht reparierbare Frauenfeindlichkeit und eugenische Grundhaltung angelegt. Anders die neu in den Bundestag gekommene PDS. Zwar hat man sich bislang mit dem Gesetz nicht beschäftigt, doch als Nachwirkung des in der DDR einst geltenden „Vorrangs des technisch-wissenschaftlichen Fortschritts“ darf wohl die intern geäußerte Meinung gelten, man halte das Gesetz für viel zu restriktiv. Gerd Nowakowski

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