Emanzipation im Cockpit: „Ich bin keine Vorkämpferin“
Evi Hetzmannseder hat etwas gewagt und es dann ausprobiert. Vor 25 Jahren wurde sie die erste Pilotin bei der Lufthansa.
taz: Frau Hetzmannseder, erinnern Sie sich noch an den 23. August 1988?
Evi Hetzmannseder: Natürlich, mein erster Flug im Cockpit. Das war mit ganz viel Stress und Aufregung verbunden. Zum ersten Mal mit Passagieren an Bord. Ein Gefühl mit Schwammerl in den Knien.
Wie sind Sie zum Fliegen gekommen?
Es war immer mein Traum. Freunde haben mir erzählt, dass ich im Kindergarten gesagt hätte: Ich will Stewardess werden und einen Kapitän heiraten. Da ist aber nix draus geworden.
War Ihnen die Bedeutung, erste Frau im Lufthansa-Cockpit zu sein, damals bewusst?
Es gab schon vor mir einige Frauen, die privat ihre Berufspilotinnenscheine gemacht haben. Ich war und bin keine Vorkämpferin. Ich habe für niemanden eine Lanze gebrochen. Ich habe einfach nur den Job gemacht, den ich machen wollte.
Evi Hetzmannseder:: Am 23. August 1988 trat die erste Pilotin ihren Dienst bei der Lufthansa an. Evi Hetzmannseder, 48, wurde in St. Georgen/Oberbayern geboren. Nach dem Abitur studierte sie zunächst Musikerziehung und schickte eine Bewerbung zur Lufthansa Flugschule nach Bremen. 1986 begann ihre Ausbildung, 1988 erfolgte die Übernahme als Erster Offizier. Die Kapitänin hat zwei Kinder und lebt mit ihrem Mann in der Nähe von München.
Trotz flexibler Arbeitszeitmodelle gibt es nur wenige Pilotinnen. Nur etwa 6 Prozent der Lufthansa-Piloten sind weiblich, darunter 80 Kapitäninnen. Dass heute nur rund 300 Pilotinnen bei Lufthansa angestellt sind (von insgesamt ca. 5.800), liegt nicht an der Leistung. Der Anteil der BewerberInnen, der den Auswahltest der Lufthansa besteht, ist bei beiden Geschlechtern gleich.
Damals gab es einen Medienhype. Hat Sie das genervt?
Es war eine Mischung: Einerseits war ich stolz, so viel Aufmerksamkeit zu bekommen. Andererseits kamen dann hundertfach dieselben Fragen, grauenvoll. Aber natürlich war es toll, für ein paar Tage so berühmt zu sein.
Was macht für Sie das Thema „25 Jahre Frauen im Cockpit“ heute noch bedeutsam?
Vielleicht kann man Frauen Mut machen, sich etwas zu trauen. Die Gesellschaft hat sich ja schon gewandelt. Frauen trauen sich viel mehr als früher zu. Vielleicht berührt es einige, die noch einen Kick brauchen und sagen: Ja, guck, die Evi, die hat es auch gepackt! Muss ja nicht das Fliegen sein, kann ja auch irgendetwas sein, wo man noch mit seiner Entscheidung wankt. Etwas auszuprobieren, vielleicht ist das eine gute Botschaft!
Sehen Sie sich als Vorbild?
Eigentlich nicht. Ich mache meinen Beruf gern. Das war mein Ziel, und nicht irgendetwas Tolles dazustellen und in der Welt zu repräsentieren.
Sie wollten nicht die Fahne der Emanzipation hochhalten?
Nein, überhaupt nicht! Aber: Damals gab es eine ganz andere Generation von Männern. Manche glaubten, auch bei der Lufthansa, dass nur die Männer die Welt regieren und die Frauen daheim bleiben sollten.
Was hat sich seitdem geändert?
Für viele Kopiloten ist das heute ganz normal, wenn eine Frau die Vorgesetzte ist. Mittlerweile gibt es Busfahrerinnen, Frauen, die Tram fahren oder im Cockpit sitzen. Im Kindergarten spielen die Kleinen auch mit Lego- und Playmobilfiguren. Da ist auch immer ein Mädchen dabei. Als ich vor 25 Jahren Kopilotin war, gab es Kapitäne, die es nicht gewohnt waren, mit Frauen zusammenzuarbeiten – vor allem mit jungen Frauen, die genau das Gleiche können wie ein altgedienter Kapitän der deutschen Lufthansa. Das war manchmal befremdlich. Aber: Wir Frauen sind immer sehr fair behandelt worden.
Waren die ersten Pilotinnen Anfang des 20. Jahrhunderts wie Marga von Etzdorf für Sie ein Vorbild?
Ehrlich gesagt, ich habe von diesen Pionierinnen erst erfahren, als ich schon bei der Lufthansa war.
Lassen Sie uns in die Zukunft schauen: 1988 die erste Pilotin bei der Lufthansa. Wann wird es den ersten weiblichen CEO geben?
Das weiß ich nicht. Wenn eine Frau sagt, sie will Vorstandsvorsitzende werden, und das dann auch durchzieht, dann ist das prima! Ich jedenfalls würde das nicht machen. Das wäre nicht meine Welt.
Es gibt nur wenige weiblich Vorstandsvorsitzende in DAX-Unternehmen. Ist das Ausdruck für …?
… männliche Dominanz! Ja, das sind noch immer männliche Bastionen. Aber das wird sich mit der Zeit ändern.
Warum entscheiden sich noch immer so wenige Frauen für den Beruf der Pilotin?
Frauen bevorzugen Berufe, die ihnen Spaß machen, irgendetwas Kreatives, Soziales. Manche wollen in die Mode- oder Designbranche. Viele Frauen denken, als Pilotin muss man ein Technikfreak und Mathematikgenie sein. Stimmt nicht. Gefordert sind durchschnittliche mathematische und naturwissenschaftliche Fähigkeiten. Im Cockpit zählen Flexibilität und Teamfähigkeit.
Heißt das im Umkehrschluss: Fliegen ist nichts Kreatives?
Wenig! Es ist sehr viel Angelerntes, sehr viel Technik dabei. Viele Handlungsabläufe, die man einstudieren muss. Das dient der Sicherheit. Man hat wenig Handlungsspielraum für Kreativität.
Inwiefern hat Sie das Fliegen verändert?
Das Fliegen ist automatischer geworden, vereinfacht durch die ganze Elektronik. Früher sind wir mehr manuell geflogen. Heute ist sehr viel mehr Überwachung der ganzen Systeme dabei. Dadurch ist die Faszination des Fliegens ein wenig auf der Strecke geblieben.
Fliegen Männer und Frauen unterschiedlich?
Weiß ich nicht. Männer fliegen genauso gut wie Frauen. Manche interpretieren in Frauen etwas mehr Feinfühligkeit hinein, aber ich kann das nicht bestätigen. Die Männer können genauso sanft landen wie eine Frau.
Haben Sie besondere Hobbys als Ausgleich zum Fliegen?
Ja, Familie, Haushalt, putzen, kochen. Ansonsten Musik spielen in einer kleinen Gruppe. Ich spiele Akkordeon.
Brian Eno „Music for Airports“?
Nein! Wir singen Gaudimusik, Ragtime, Altdeutsches, Schlager, Tango, lustige Sachen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
„Männer“-Aussage von Angela Merkel
Endlich eine Erklärung für das Scheitern der Ampel
Sport in Zeiten des Nahost-Kriegs
Die unheimliche Reise eines Basketballklubs
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko