piwik no script img

Elke Heidenreich über den Nannen-Preis„Chefredakteure raus!“

Die Ex-Jurorin des Henri-Nannen-Preises, Elke Heidenreich, fordert Reformen in der Jury. Sie kritisiert die Auszeichnung der „Bild“, die den Preis beschädigt habe.

„Aber der Beitrag des männlichen Schreibers war auch gut.“ Frau Heidenreich bei der Verleihung des Henri Nannen Preises in der Kategorie Essay. Bild: dapd
Interview von Felix Dachsel

taz: Frau Heidenreich, was regt Sie mehr auf: Die Verleihung des Henri-Nannen-Preises an Bild oder der Umstand, dass unter den Preisträgern ausschließlich Männer waren?

Elke Heidenreich: Eindeutig der Henri-Nannen-Preis an Bild. Das ist, selbst wenn die beiden Preisträger gut recherchierende Journalisten sein mögen, nicht die Art Zeitung, die für soliden Journalismus steht. Da können die noch so viel Kreide fressen. Das ist eine Zeitung, die Wichtiges auf denunziatorische Schlagzeilen reduziert und viel Unheil anrichtet.

Ist der Preis nun beschädigt?

Eindeutig, ja. Ein Henri Nannen hätte nie einen Preis an Bild vergeben. Und die schleimige Doppelvergabe an Bild und Süddeutsche Zeitung hat es gänzlich verlogen gemacht. Die Süddeutsche hat den Preis zu Recht nicht angenommen.

Teilen Sie die Kritik, dass der Nannen-Preis „zu männlich“ sei?

Dass es keinen weiblichen Preisträger gab, halte ich nicht für einen Skandal, nur für schade. Ich hätte es zum Beispiel beiden nominierten Frauen in der Kategorie Essay, die ich ja vorgestellt habe, gewünscht zu gewinnen. Aber der Beitrag des männlichen Schreibers war auch gut.

Elke Heidenreich

war 2011 in der Jury des Henri Nannen Preises und übergab 2012 den Preis in der Kategorie Essay. Das Interview wurde per E-Mail geführt.

Wo liegt die Ursache für den Mangel an Frauen?

Ich weiß es wirklich nicht. Ich finde das auch bedenklich, aber ich schwöre es: Das war nie ein Thema während meiner Zeit in der Jury. Ich möchte an Zufall glauben, aber vielleicht ist es auch die schiere Menge – es reichen viel mehr Männer ein als Frauen.

Würde eine Quote in der Jury helfen?

Man traut es sich ja kaum zu sagen, aber ich bin strikter Feind jeder Quote. Ich finde, nur die Qualität zählt, und wo das Geschlecht sichtbar diskriminiert wird, bitte sehr, sofort dagegen kämpfen. Aber Quote halte ich für sinnloser als Qualität. Allerdings tut man sich als Frau unter diesen oft sehr von sich eingenommenen Männern mitunter schwer, gehört und ernst genommen zu werden. Ich war nach den Jurysitzungen immer tief deprimiert, dabei bin ich schon eine Kämpferin. Aber es strengt an, allein gegen so viele Männer mal etwas anderes durchzusetzen.

„Netzwerk Recherche“ fordert, dass nicht überwiegend machtstrategisch orientierte ChefredakteurInnen in der Jury sitzen sollten, sondern unabhängigere ExpertInnen.

Das unterschreibe ich sofort. Es heißt zwar immer, Zurückhaltung bei der Diskussion über Beiträge aus dem eigenen Haus, aber daran wird sich nicht wirklich gehalten. Da müssen gute, kluge, freie Köpfe sitzen. Journalisten, die einen Beitrag sprachlich und inhaltlich richtig beurteilen können und nicht Chefredakteure mit Druck im Nacken – Die Stern-Chefredakteure vielleicht ausgenommen, weil die den Preis schließlich großzügig ausrichten und übrigens auch nie durch parteiliche Stellungnahmen aufgefallen sind. Im Gegensatz zu anderen Herren, die dann schon mal gern die Contenance verloren. Also: Chefredakteure raus aus der Jury, und dann wieder neu und ehrlich anfangen!

Wie fanden Sie die Verleihung des Nannen-Preises: stilvoll oder dekadent?

Der Nannen-Preis hat für mich immer das klügste und eleganteste Fest ausgerichtet – verglichen mit den unsäglichen Fernsehpreisabenden von ARD und ZDF. Dieses Mal hat der Nannen-Preis aber erstaunlich viele Stolpersteine gehabt. Die Moderatorin Judith Rakers musste sich blöde Komplimente anhören. Die Kabarett-Einlagen waren bodenlos schlecht und die Inszenierung – Preisträger sitzen auf der Bühne – vielleicht ehrenvoll gedacht, aber ungünstig.

Weshalb?

Sitzen Sie mal als Frau im Rock mit hohen Absätzen drei Stunden erhöht vor Publikum.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

10 Kommentare

 / 
  • W
    Wüterich

    @reblek

     

    :)))

    Ja, in der Tat. Da herrscht Nachholbedarf! ;)

    Und sie müsste auch Elke (oder - spanisch korrekt - LAke) HeiDIEreich heißen...:)

  • H
    hunter

    was denn? da hilft eben nur die quote!

    eine für frauen, eine für migranten und eine für behinderte. ich schlage vor, zu je 30 prozent; die restlichen 10 können dann diese (deutschen) machos unter sich ausmachen.

  • A
    aka

    @reblek: gäääähn! inhaltlich nichts beizutragen?

  • M
    miki

    eine schande für den journalismus ist das... mehr nicht...

  • M
    mitgeschossen

    die taz hat mitgeschossen

     

    http://www.henri-nannen-preis.de/hauptjury.php

  • N
    Nadi

    Sie hat doch recht.

     

    Es riecht nach Chefredakteur verteilt Preis an seine Leute. Und wer gewinnt überhaupt solche Preise? ... das sind tatsächlich nur sehr wenige Medien. Nur der Weser Kurier fällt ein wenig aus dem Lager, alles andere teilt sich in Hamburg praktisch auf. Und dieser Preis ist drastisch weniger wertvoll als früher, zumal er früher Kisch-Preis hieß und damit auch einen anderen Anspruch transportierte.

  • AG
    Andreas Graf

    Kann mir jemand helfen, folgendes Paradoxon aufzulösen?

     

    "Dass es keinen weiblichen Preisträger gab, halte ich nicht für einen Skandal, nur für schade."

     

     

    "und die Inszenierung – Preisträger sitzen auf der Bühne – vielleicht ehrenvoll gedacht, aber ungünstig.

     

    Weshalb?

     

    Sitzen Sie mal als Frau im Rock mit hohen Absätzen drei Stunden erhöht vor Publikum. "

     

     

    Ich gehe mal nicht davon aus, dass es Trostpreise für attraktive, minirocktragende Frauen in der Blüte ihrer Jahre gegeben hat?

  • S
    Schläfer

    "Das ist, selbst wenn die beiden Preisträger gut recherchierende Journalisten sein mögen, nicht die Art Zeitung, die für soliden Journalismus steht."

     

    Unfassbare Aussage !

    Der Henri-Nannen-Preis wird an Journalisten verliehen - nicht an Zeitungen.

     

    Entweder ein Beitrag ist gut recherchiert oder eben nicht.

    Dafür gibt es eine Auszeichnung oder eben nicht.

     

    Ist gute Recherche deshalb schlecht, weil sie für Bild gemacht wird ?

    Würden die beiden Journalisten zur taz wechseln - wären sie dann schlagartig preiswürdiger ?

     

    Nehmen wir mal an:

    Frau Heidenreich würde einen großartigen TV-Beitrag bei RTL2 veröffentlichen. Sollten wir ihr dafür eine Auszeichnung nur deshalb vorenthalten, weil RTL2 sonst so prollig ist ?

     

    Hier ein lesenswerter Beitrag von Jakob Augstein:

    http://www.spiegel.de/politik/deutschland/streit-ueber-henri-nannen-preis-fuer-bild-zeitung-a-832978.html

  • J
    jules

    mal wieder nur ein nebenwiderspruch die sache mit dem männerwettpissrunden. kann es sein, dass die schlaue frau heidenreich sich keinerlei gedanken darüber gemacht hat, wie es wohl strukturell dazu kommt, dass viel weniger frauen einreichen, dass preise nun an die Blöd vergeben werden, dass die Chefredaktionssessel mit alten weißen Typen besetzt sind?

  • R
    reblek

    "Dass es keinen weiblichen Preisträger gab..." - Kann es nicht geben, denn das wäre eine "Preisträgerin".

    "Man traut es sich ja kaum zu sagen, aber ich bin strikter Feind jeder Quote." - Ganz Mann, die Frau, nämlich "Feind".

    "... dabei bin ich schon eine Kämpferin..." - Vielleicht doch nicht so ganz: auf einmal ist sie "Kämpferin".