: Elektrosmog an der Bahnstrecke des ICE
■ Anwohner der Stadtbahn klagen über Kopfschmerzen und Schlafstörungen / Bezirksamt untersucht nun Zusammenhang
Elektrosmog – unter diesem Begriff kommen die Magnetfelder von Haushaltsgeräten, Computern und selbst der Eisenbahn in Verruf. Seitdem der Intercity-Express (ICE) täglich Berlin mit dem Bundesgebiet verbindet, berichten Anwohner der Stadtbahn nicht nur darüber, daß Computer-Programme abstürzen und Bildschirme flimmern, wenn der „weiße Pfeil“ an ihren Häusern vorbeirauscht. Manche klagen auch seit Juni über Kopfschmerzen und Schlafstörungen. 14 Beschwerden liegen der Umweltmedizinischen Beratungsstelle des Bezirks Charlottenburg vor.
Gesundheitsstadträtin Annette Schwarzenau (Bündnis 90/Grüne) will nun untersuchen lassen, ob es zwischen dem Betrieb des ICE und den gesundheitlichen Beeinträchtigungen einen Zusammenhang gibt. Messungen des Bundesamtes für Arbeitsmedizin haben ergeben, daß der ICE während seiner Vorbeifahrt auf dem Bahnsteig Savignyplatz ein Magnetfeld aufbaut, wie es sonst nur unter Hochspannungsleitungen zu finden ist. Die Leiterin der umweltmedizinischen Beratungsstelle, Frauke Thedsen, sagte gegenüber der taz, unter Hochspannungsleitungen aufgewachsene Kinder seien einem viermal höheren Blutkrebs-Risiko ausgesetzt als andere Altersgenossen. Der ICE verursache das Magnetfeld auf dem Bahnsteig Savignyplatz alle zwei Stunden für zwei Minuten.
Mit der Studie, bei der Anwohner untersucht werden, wird im Frühjahr begonnen. Das Bezirksamt arbeitet zusammen mit dem Institut für Hochspannungstechnik und Starkstrom der TU und dem Klinikum Steglitz. Dort soll mit einem fünf Millionen Mark teuren Magnetokardiographen das körpereigene Magnetfeld der Betroffenen untersucht werden. Mit dem Kardiographen soll herausgefunden werden, ob es Gruppen von Menschen gibt, die besonders sensibel auf Elektrosmog reagieren. Wie viele Anwohner wie lange beobachtet werden, ist noch unklar. Elektrische Strahlen und Magnetfelder von elektrischen Weckern, Computern und Rasierapparaten beeinflussen nachweislich den Hormonhaushalt, die Kalziumregulation und die Enzymproduktion.
Sollte Gesundheitsstadträtin Schwarzenau der Nachweis eines Zusammenhangs mit dem ICE gelingen, müßte der Gesetzgeber mit Abstandregelungen von Bahn- und Stromtrassen reagieren, ist sich Thedsen sicher. In anderen Ländern wie in Skandinavien und den USA seien gesetzliche Einschränkungen längst selbstverständlich, in der Bundesrepublik gebe es dagegen nur unverbindliche DIN-Normen, deren Empfehlungen weit über den Grenzwerten anderer Länder lägen. Dirk Wildt
Informationen zu Elektrosmog und der Untersuchung in der umweltmedizinischen Beratungsstelle Charlottenburg, Tel: 884 36 249.
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