Elektronisches Buch: Kritische Masse erreicht
Seit Jahren arbeiten Verlage am eBook. Langsam kommt das Geschäft in Fahrt - doch das Lesen ist noch immer unangenehm. Sonys Reader floppte zunächst - nun will Amazon einen Versuch wagen.
BERLIN taz Es hat lange gedauert, doch der Markt für elektronische Bücher kommt endlich in Schwung. Insbesondere in den USA gibt es kaum mehr einen größeren Titel, der nicht gleichzeitig auch in digitaler Form verfügbar wäre - zu durchaus konkurrenzfähigen Preisen, die immer etwas unter denen echter Druckwerke liegen.
Doch statt spezielle Lesegeräte zu nutzen, wie es Zukunftsforscher einst immer wieder vorhergesehen hatten, erwerben die meisten Nutzer ihre E-Books, die es bei Online-Buchhändlern (Powell's oder Amazon) oder Spezialanbietern (ebooks.com) zu kaufen gibt, in Form kopiergeschützter PDFs - gelesen werden sie also am guten, alten PC, der nie für derlei lange Lektüren gedacht war.
In Deutschland balgen sich mehrere kleinere und größere Anbieter um den wachsenden Markt. Neben Firmen wie Libri.de, die auch ganz normal Gedrucktes verkaufen, haben sich einige Websites vollständig auf den E-Book-Vertrieb konzentriert: Ciando macht laut eigenen Angaben gute Geschäfte mit dem Absatz von Fachliteratur, Wirtschaftstitel, Biografien oder Ratgebern.
Auch diese Firma musste feststellen, dass sich der Internet-Nutzer wenig für spezielle Lesegeräte interessiert. "Der typische E-Book-User ist jemand, der sich der traditionellen Endgeräte bedient, also PC und Laptop einsetzt", sagte Ciando-Geschäftsführer Werner-Christian Guggemos gegenüber dem Technologiemagazin Technology Review. Die mobilen Plattformen würden zwar für etliche Applikationen genutzt, aber eben nicht notwendigerweise für das Lesen von Büchern.
Dabei sind moderne PDAs und Smartphones bereits heute besser zum Schmökern geeignet, als ihr Ruf nahelegt. Texterity, ein Anbieter von digitalen Versionen bekannter US-Zeitschriften, bietet beispielsweise eine Lesefunktion für Apples iPhone an. Da man das Gerät mit den Fingern bedienen ("Multitouch") und sich so durch Texte recht natürlich bewegen kann, macht die Lektüre etwa in der U-Bahn durchaus Spaß - Heranzoomen von Bildern inklusive.
Spezielle Lesegeräte für Bücher existieren unterdessen weiter. Das aktuell wohl bekannteste Modell ist der "Reader" des japanischen Elektronikkonzerns Sony. Das Gerät, das in den nächsten Wochen in einer leicht verbesserten zweiten Version erscheinen soll, basiert auf der so genannten "E-Ink"-Technik, mit der sich Schwarz-Weiß-Bilder in papierähnlicher Qualität darstellen lassen sollen. Der Energieverbrauch ist darüber hinaus sehr niedrig. Der anfangs mehrfach verschobene Reader ist allerdings nicht gerade billig: 280 Dollar muss man in den USA dafür hinlegen, obwohl Sony den Preis bereits gesenkt hat; auch die zweite Version soll mindestens 300 Dollar kosten. Formatinkompatibilitäten sorgten und sorgen zudem dafür, dass sich die Kundschaft bislang nur schleppend für das Gerät interessiert - so kann er etwa keine geschützten PDFs darstellen. Von den kopiergeschützten Formaten kann er nur das Sony-eigene handhaben.
Amazon will das bald ändern. Der E-Commerce-Riese bastelt bereits seit über einem Jahr an einem eigenen E-Book-Lesegerät namens "Kindle", das vermutlich noch im Oktober in den USA seinen Verkaufsstart haben wird. Preislich wird es wohl kaum unter dem Niveau von Sony liegen, dank der Marktmacht von Amazon aber womöglich größere Chancen haben, Kunden zu finden. Auch "Kindle" hat ein Schwarz-Weiß-Display, kann dank Mobilfunkschnittstelle aber nahezu überall mit neuen Büchern versorgt werden, die dann über das Internet sofort verfügbar sein sollen.
So lange sich diese Visionen speziell für das Bücherlesen gedachter Geräte nicht erfüllen, bleibt eben der PC. Störend daran: Aufgrund des Kopierschutzes darf man sich die Software, mit der man die erworbenen Werke betrachten will, nicht selbst aussuchen. Das populärste E-Book-Format PDF setzt auf Leseprogramme von Adobe - entweder den Acrobat Reader, den man auch von der Lektüre ungeschützter PDFs kennt, oder eine neue Lösung namens "Digital Editions", die Adobe zum Industriestandard aufblasen will.
Vor den Lesegenuss haben die E-Book-Götter allerdings den Download und "Autorisieren" der digitalen Druckwerke gesetzt: So lädt man sich im Fall von "Digital Editions" eine kleine Datei auf den Rechner, die dann das eigentlich Buch nachlädt. Will man den Titel auf mehreren Computern nutzen, etwa auf einem Desktop-PC und einem Laptop, muss man ihn jeweils neu über das Internet freischalten lassen. Das kostet zwar normalerweise nichts extra, doch werden teilweise Beschränkungen vorgenommen, wie oft autorisiert werden darf. Viele Verlage haben außerdem die Druckfunktion abgeschaltet - gelesen werden kann also tatsächlich nur am Schirm.
Das mag für Fachbücher in Ordnung gehen, doch ein 800 Seiten starker Roman macht selbst beim größten Bildschirm mit höchster Auflösung am PC keinen Spaß. Immerhin findet man dank Lesezeichen- und Suchfunktionen immer seine Lieblingsstellen wieder.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!