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■ Elektroindustrie spekuliert auf Hilfe des KanzlersAutomann wird Staubsaugervertreter

Das war doch ganz leicht: Ein Brief an den Bundeskanzler, und ein mißliebiges Abfallgesetz verschwindet. Der Erfolg des VW-Chefs bei der Altautoverordnung vergangene Woche hat nun auch anderen Bremsern Mut gemacht. Nicht mal eine Woche nachdem der niedersächsische Umweltminister eine Einigung mit der Industrie über die Elektroschrottverordnung bekanntgab, stellt der Verband der Elektrohersteller ZVEI den Kompromiß nun wieder in Frage. Vielleicht eignet sich Gerhard Schröder ja nicht nur als Automann, sondern auch als Staubsaugervertreter, so spekuliert nun die Industrie: Man kann's ja mal versuchen.

Acht Jahre hatte es gedauert, bis nach schier endlosen Verhandlungen die Industrie dazu gebracht werden konnte, einen Entwurf für eine Elektroschrottverordnung zu akzeptieren. Schon in zweieinhalb Jahren müßten demnach die Hersteller alte Rasierapparate, Laptops und Kühlschränke kostenlos zurücknehmen. Kostbare Rohstoffe könnten so recycelt, und giftiger Müll könnte von der Deponie ferngehalten werden.

Jahrelang hatte die Industrie dagegengehalten, wollte die Verantwortung für ihre Produkte nicht übernehmen. Nach dem Regierungswechsel in Bonn gelang es nun den Bundesländern Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen in Abstimmung mit dem Bundesumweltministerium, die Industrie zu einem Kompromiß zu bewegen. Dazu mußten auch die Umweltpolitiker einige Abstriche von dem machen, was ökologisch wünschenswert gewesen wäre. Trotzdem ist eine Regel herausgekommen, die weit über den Ansatz der Regierung Kohl hinausgeht und nicht nur Computerschrott umfaßt, sondern den ganzen Elektromüll.

Aber vielleicht läßt sich ja doch noch ein bißchen Verantwortung abschieben, hoffen nun die Hersteller. Aus gutem Grund: Mit Trittins Abmahnung bei der Altautoverordnung hat der Kanzler ein Exempel statuiert, welches weit über das Binnenverhältnis der beiden Koalitionspartner hinauswirkt. Wer signalisiert, daß längst abgestimmte Gesetze kurz vor Schluß noch ausgebremst werden können, macht die langen Abstimmungsprozesse im Vorfeld, das Ringen um einen Konsens so überflüssig wie eine elektrische Zahnbürste. Sollte sich der Kanzler abermals von dem Jammern der Industrie erweichen lassen, wäre dies der Ausverkauf von Politik. Die Unternehmen wären am Ende für keinerlei Reformanstrengung mehr zu gewinnen. Matthias Urbach

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