Elbe-Hochwasser: Kuchen mit Blick auf die Flut
Die Elbe in Lauenburg steigt auf den Rekordstand von 9,22 Meter. Dabei liegen Frust und Freude dicht beieinander: Während Keller volllaufen, können die Gastwirte der Flut auch ihre guten Seiten abgewinnen.
Lauenburg am Samstagnachmittag auf einer Damentoilette in einem beschaulichen Fischrestaurant: Gedränge wie draußen auf dem engen antiken Trottoir der Altstadt, Frauen kommen beim Händewaschen ins Gespräch: "Also wir sind aus Mölln hierher gekommen, um zu fotografieren. Meine Mutter wohnt an der Ostsee. Ihr zeigen wir die Fotos, damit sie mal sieht, wie das so ist mit dem Hochwasser."
Die Dame ist nicht der einzige Gast aus Mölln. Auch das Technische Hilfswerk (THW) aus Mölln ist mit diversen LKW und Gerätschaften angerückt. Allerdings aus pragmatischeren Gründen: Hochwasser-Hilfe.
Bunte Fachwerkhäuser, Relikte alter Fürstenbauten - malerisch schmiegt sich die historische Altstadt des 800 Jahre alten Schifferstädtchens Lauenburg an seine Lebensader: die Elbe. Nur bei dem jährlich auftretenden Hochwasser ist es mit der Beschaulichkeit vorbei. Und dieses Mal hat der Pegelstand der Elbe schon in der Nacht von Freitag auf Samstag den bisherigen Rekordwert der "Jahrhundertflut" von 2006 um mehrere Zentimeter überboten.
Das Elbe-Hochwasser hat an vielen Orten in Niedersachsen die Rekordflut von 2006 übertroffen.
Die Höchststände haben am Sonntagvormittag die Bereiche Damnatz bis Neu Darchau erreicht.
Die Hochwasserwelle soll am Sonntagabend in Geesthacht ankommen.
Deichläufer sind Tag und Nacht entlang der Elbe unterwegs.
Mit einer Entspannung wird am Donnerstag gerechnet.
Allein in Damnatz (Kreis Lüchow-Dannenberg) begann der Pegelstand am frühen Sonntagmorgen, wieder langsam zu sinken. (dpa)
14 Häuser der Altstadt sind bis zum Erdgeschoss überflutet. Pegelstand am Samstag, 15 Uhr: 9,13 Meter, am Sonntag werden es 9,22 Meter sein. Wasserpfützen, Schläuche, Pumpen, rot-weiße Absperrbänder, Bagger, Feuerwehrautos und blaue THW-Wagen dominieren den sich bietenden Anblick. An der Kirche füllen die Mädchen und Jungen der Lauenburger Jugendfeuerwehr Sandsäcke.
Trotzdem kein Grund für Katastrophenalarm. Die Situation ist beherrschbar. Die Feuerwehr war über Nacht mit 50 Einsatzkräften an der Elbe, tagsüber sind 160 Frauen und Männer aktiv. Wie Arzthelferin Nadine Schult (30) und Verwaltungsfachangestellte Jessica Fischer (24).
Die Lauenburgerinnen laufen in ihren überdimensional groß wirkenden Feuerwehruniformen in der Schifferstadt Patrouille, um die Arbeit der aufgestellten Pumpen, die Keller und Straßen-Gullis auspumpen, "zu sichten", wie sie sagen. Seit Dienstag sind die beiden von ihrer Arbeit freigestellt und leisten eine zwölfstündige Tagesschicht für die Freiwillige Feuerwehr ab.
Die jungen Frauen wirken gelassen und souverän. Und ein klein bisschen genervt, wenn sie sich gerade mal wieder durch einen Tross von Hochwassertouristen zwängen müssen. "Lauenburger sieht man hier kaum", stellt Schult lapidar fest und deutet verstohlen auf die großen Kameras, die so manchem Passanten am den Hals hängt. Aber so lange ihre Arbeit nicht behindert wird, "erträgt man das eben".
Offiziell begrüßt man sogar die Touristenflut. CDU-Bürgermeister Harald Heuer freut sich darüber, dass so Geld in die Stadt komme. So verwundert denn nicht, dass die vielen Restaurants, Cafés und Imbiss-Büdchen geöffnet haben und entsprechend stark frequentiert sind.
Vor einem Restaurant verspricht gar ein Schild: "Direkter Blick auf die Flut". Das ist nicht gelogen. Direkt an der Terrasse des Hotels rauschen 4.200 Kubikmeter Wasser pro Sekunde vorbei. So findet man in der 12.000-Einwohner-Stadt an der Elbe auch im Schlechten das Gute.
Und selbstverständlich fehlen - bewaffnet mit Schreibblock, Mikros, Kameras und Scheinwerfer - die Journalisten nicht. Von denen allerdings haben die Bewohner der überfluteten Häuser indes schon "die Nase gründlich voll". Sagt jedenfalls Feuerwehrmann Torsten Reber. "Die lassen keinen mehr in ihre Keller."
Macht nichts. Es ist ohnehin viel schöner, sich bei einem Kaffee den überfluteten Anleger des Museumsraddampfers "Kaiser Wilhelm" zu betrachten. Ein kleiner Junge, vom ganzen Gewusel, der Maschinerie und dem Blaulichtgeblinke der Einsatzkräfte höchst beeindruckt staunt und sagt: "Ich will mal Feuerwehrmann werden."
(mit dpa)
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