: El Salvadors Kirche an den Fronten des Dialogs
■ Während die Mehrheit der Bischofskonferenz auf Distanz zur sozialen Opposition im Land geht, setzt die sogenannte Romero–Kirche die Tradition des 1980 ermordeten Erzbischofs fort
Aus San Salvador Leo Gabriel
Wenn morgen in der apostolischen Nuntiatur der salvadorianischen Hauptstadt nach einer fast zweijährigen Pause die dritte Dialogrunde zwischen der Regierung des christdemokratischen Präsidenten Napoleon Duarte und der aufständischen FMLN (Frente Farabundo Marti de Liberacion Nacional) stattfindet, kann - unabhängig vom Resultat der Gespräche selbst - Monsenor Arturo Rivera y Damas, Erzbischof von San Salvador, einen Prestigeerfolg verbuchen. Ebenso wie sein berühmter Amtsvorgänger Monsenor Oscar Arnulfo Romero, der am 24. März 1980 auf Betreiben der Armeeführung ermordet wurde, weil er den Militärs „im Namen Gottes“ befohlen hatte, „doch endlich mit der Repression aufzuhören“, ist der jetzige Oberhirte ein Mann des Dialogs, der den militärischen Konflikt in El Salvador einer politischen Lösung zuführen will. Aber im Unterschied zu 1980, als der jahrzehnte– - und in gewissem Sinne jahrhundertelange Konflikt zwischen Arm und Reich schließlich zu einem offenen Bürgerkrieg führte, hält der neue Erzbischof heute das Projekt Romeros, die revolutionären Volksbewegungen der Bauern, Arbeiter und Studenten zu unterstützen, für „historisch überholt“. Er sympathisiert vielmehr mit dem Christdemokraten Jose Napoleon Duarte, mit dem ihn eine jahrelange persönliche Freundschaft verbindet, und kritisiert, wo immer er kann, die heute in der UNTS (Unidad Nacional de Trabajadores Salvadorenos) Vereinigten Gewerkschaften und Bauernorganisationen. Sein politischer Gesinnungswandel ging sogar soweit, daß er in El Salvador als „Romero–Kirche“ bekannten christlichen Basisgemeinden, zum Rücktritt veranlaßte. Zur selben Zeit fügte sich der Oberhirte widerspruchslos dem Verbot des Generalstabschefs der salvadorianischen Armee, den engagierten Jesuiten Jon Cortina als Pfarrer von Arcatao im Kriegsge biet der nördlichen Provinz Chalatenango einzusetzen, wo die Armee im Vorjahr vor der Dorfkirche sechs Campesinos massakriert hatte. Und als die Angehörigen der „Comadres“, einer Organisation von Müttern politischer Gefangener, wie zu Romeros Zeiten vor einigen Wochen kurzfristig die Kathedrale besetzten, um die Druchführung der im Friedensabkommen von Guatemala vorgesehenen Amnestie zu fordern, ließ die Kirchenhierarchie sie kurzerhand exkommunizieren. Es wäre jedoch verfehlt, hinter all diesen Aktionen die Willensentscheidung eines einzigen Bi schofs zu sehen. Es ist vielmehr die gesamte salvadorianische Bischofskonferenz, in denen die Konservativen seit jeher in der überwältigenden Mehrheit waren. Diese Mehrheit, in den letzten Monaten mit der Ernennung von drei neuen Bischöfen in Sonsonate, Zacatecoluca und Chalatenango durch Papst Johannes Paul II. noch vertärkt, bestimmt die kirchenpolitische Stimmung im Land. Es war auch der Heilige Vater höchst selbst, der bei seinem Besuch in San Salvador im Jahre 1983 dem mutmaßlichen Mörder Romeros, Maior Roberto DAubuisson, die Hand geschüttelt hatte, bevor er sich bei einem nicht offiziell angekündigten Besuch vor dem Romero–Grab kurz verneigte. All diese Umstände haben die „Romero–Kirche“ der christlichen Basisgemeinden, die sich nach wie vor um die aktive Minderheit von Priestern und Ordensleuten scharen, die im Evangelium eine Botschaft der Befreiung vom Zustand säkularer Ausbeutung sehen, schwer verunsichert. Nur wenige von ihnen wagen es heute, öffentlich zu politischen und kirchenpolitischen Fragen Stellung zu nehmen. Denn sie können nicht mehr wie früher auf den Schutz des Erzbischofs zählen. Dafür arbeiten sie umso aufopferungsvoller inmitten ihrer Gemeinden von armen Bauern, städtischen Slumbewohnern und sogar in den Kriegsgebieten, wo sie den Campesinos einen gewissen Schutz vor den Übergriffen der Armee bieten. Diese Basisgemeinden in Kellergeschossen und Hinterhöfen bei Versammlungen erinnern unwillkürlich an die Urchristen in den Katakomben. Als treue Anhänger ihres großen Vorbildes Romero, dem sie wie einem Heiligen nacheifern, tragen sie allerdings ihre Differenzen mit den Konservativen in der salvadorianischen Kirchenhierarchie nicht offen aus. Im Gegensatz zu den Anschuldigungen von oben geht es den Priestern und Laien nicht darum eine „alternative Kirche“ zu begründen, sondern ein lebendiges Beispiel zu geben. Ihr Blick ist in erster Linie nicht nach oben, sondern nach unten gerichtet. Sie kümmern sich weniger um die innerkirchliche Politik als um das Schicksal der Armen. Diese Kirche der Verfolgten setzt sich dafür ein, daß die von ihrem Erzbischof vertretene Idee des Dialogs bald zu einer täglichen Praxis werden möge, an der sich nicht nur Guerillacomandantes und Armeegeneräle, nicht nur Politiker und Bischöfe beteiligen können, sondern auch die landlosen Bauern, die einfachen Soldaten und die Bewohner der Erdbebengeschädigten Elendsviertel von San Salvador.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen