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Eklat bei französischen Sozialisten

Der zehnte Kongreß der PS endete gestern in Rennes ohne Abschlußerklärung / Statt inhaltlicher Differenzen Schlammschlacht um Parteiführung / Stehende Ovationen für Oskar Lafontaine  ■  Aus Rennes A. Smoltczyk

Ein Kongreß als Psychodrama: Sitzungen bis zum Morgengrauen, Rempeleien, Ränkespiel im Pressesaal. Ein falsches Wort und auch populäre Minister gingen unter in einem hemmungslosen Pfeifkonzert. Doch waren es nicht die 2,3 Millionen Arbeitslosen, die solche Leidenschaften weckten, und auch nicht die 150 jungen Maghrebiner, die in den letzten Jahren von Rassisten umgebracht wurden. Nein, es war der Kampf um die Parteimacht zwischen der alten Führung um Pierre Mauroy und seinem Herausforderer Laurent Fabius. Gestern mittag kam es zum Eklat: Zum ersten Mal in ihrer Geschichte gelang es der PS nicht, eine mehrheitsfähige programmatische Erklärung abzugeben - nicht, weil es nennenswerte inhaltliche Differenzen gäbe, sondern weil die Gräben zwischen den Lagern inzwischen zu tief geworden sind. Am Dienstag soll nun die Parteiführung zusammentreten, um einen neuen Text auszutüfteln. Wahrscheinlicher Kompromiß: Mauroy bleibt im Amt, die Anhänger von Fabius erhalten entscheidende Posten im Direktorium der Partei.

Fabius, der nach dem Willen Mitterrands bereits 1986 an die Parteispitze hätte rücken sollen, ist es in Rennes gelungen, sich mit einer Rhetorik der Erneuerung gegenüber dem bieder wirkenden Mauroy als Hoffnungsträger darzustellen. Wenn der agil-glatte Ex-Premier - ohne über einen Gegenentwurf zur Politik Rocards zu verfügen - ein Drittel aller Delegierten auf sich einschwören konnte, wirft das ein deutliches Licht auf den Zustand der Partei: Die PS ist in großen Teilen zu einer Wahlmaschine der Notablen geworden, zur Partei amerikanischen Typs, die Macht erkämpft, um sie dann unter den Getreuen aufzuteilen. Die Zeiten des „Militantismus“, jener Basisarbeit für politische Inhalte, an den die Reden von Mauroy und seinem Verbündeten Jospin noch appellierten, sind wohl endgültig vorbei. Fabius hat nun alle Chancen, beim nächsten Kongreß in zwei Jahren Mauroys Nachfolge anzutreten und sich mit Hilfe des Parteiapparats auf die Mitterrand-Nachfolge vorzubereiten. Premier Rocard, der zur Zeit aussichtsreichste Anwärter auf Mitterrands Stuhl, hielt sich dagegen aus dem Machtkampf heraus und übte sich schon in der Rolle des Un- und Überparteiischen.

Stehende Ovationen gab für Oskar Lafontaine. Dank Kohls Äußerungen zur polnischen Westgrenze ist das Verhältnis zwischen PS und „Baracke“ so gut wie schon lange nicht mehr. Lafontaine wiederholte, was er letzte Woche auf seiner Goodwilltour in Paris schon Mitterrand und Rocard erklärt hatte: Die Nachkriegsgrenzen seien unantastbar, und der deutschen Währungsunion müsse die europäische auf dem Fuße folgen. Keine Frage sei heute mehr nationalstaatlich zu lösen, auch die deutsche nicht. Um letzte Zweifel an seiner Person zu beseitigen, erklärte Lafontaine auch einen deutschen Neutralismus für „überholt“ und schloß sich dem Vorschlag Mitterrands einer europäischen Konföderation an.

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