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■ Der Dachverband der Arbeitgeber will heute gegen Mindestlöhne auf dem Bau stimmen. Damit scheitert auch das Entsendegesetz gegen europäisches LohndumpingEklat auf dem Bau

Der Dachverband der Arbeitgeber will heute gegen Mindestlöhne auf dem Bau stimmen. Damit scheitert auch das Entsendegesetz gegen europäisches Lohndumping

Eklat auf dem Bau

Für die Plackerei auf dem Bau ist es nicht üppig: 18 Mark brutto die Stunde, 2.000 Mark netto im Monat. Ganz schön knapp für eine Familie. Aber das interessiert nicht, wo doch vielerorts noch mieser gezahlt wird. Ein Mindeststundenlohn von 18 Mark im Westen und 17 Mark im Osten läge „erheblich“ über den Ecklöhnen der meisten Branchen, rügt Fritz-Heinz Himmelreich, Hauptgeschäftsführer bei der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). Im heute tagenden Tarifausschuß beim Bundesarbeitsministerium will die BDA den verbindlichen Bau-Mindestlohn ablehnen. Damit scheitert das Entsendegesetz, das vor ausländischer Billigkonkurrenz schützen sollte. Das Scheitern zeigt: Die Löhne bewegen sich. Und zwar abwärts.

Nach langen Verhandlungen und einer Schlichtung hatten die Tarifparteien der Bauwirtschaft im April erstmalig einen Mindestlohn vereinbart, der ab 1. Dezember 1996 bei 18,60 Mark in den westlichen Bundesländern und ab 1. April 1997 bei 17,11 Mark im Osten liegen sollte. Dieser Mindestlohn sollte im Tarifausschuß für allgemeinverbindlich erklärt werden und das Entsendegesetz vervollständigen. Das Lohnlimit gelte dann auch für hier werkelnde Bauarbeiter aus dem Ausland. „Ein wirksames Instrumentarium gegen unfaire Billigkonkurrenz aus dem Ausland“, lobte Arbeitsminister Norbert Blüm.

Angst vor Signalwirkung

Deswegen hatten auch die Bau- Arbeitgeber, das heißt der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie und der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes, dem Mindestlohn zugestimmt. Denn ein verbindliches Lohnlimit soll die hiesigen mittelständischen Baufirmen vor internationalen Konsortien und Vermittlern schützen, die Billigkräfte aus dem europäischen Ausland einschleusen.

Die Krux bei der Sache: Die Arbeitgeber müssen dem Mindestlohn im Tarifausschuß zustimmen. Der heute tagende Tarifausschuß ist mit jeweils drei Gewerkschafts- und drei Arbeitgebervertretern besetzt. Darunter aber sind keine Abgesandten der Bauindustrie. Die im Tarifausschuß vertretenen Arbeitgeberverbände Gesamtmetall, der Gesamtverband Textilindustrie und der BDA haben jedoch bereits angekündigt, den Mindestlohn heute abzulehnen. Damit bliebe das Entsendegesetz wirkungslos.

Die BDA sperrt sich, denn ein Mindestlohn von 18 Mark liegt über den Niedriglöhnen anderer Branchen wie etwa der Textilindustrie. Eine Allgemeinverbindlichkeit des Bau-Tarifvertrages würde „Signalwirkung“ für andere Branchen haben, befürchtet Arbeitgebervertreter Himmelreich. Über das Entsendegesetz gegen Niedriglöhne am Bau würde ein „staatlich sanktionierter Mindestlohn“ geschaffen, der „viel zu hoch“ sei.

Auch im Lager der Bauunternehmer herrschte keine völlige Einigkeit über den Mindestlohn. Denn nicht nur Beschäftigte in anderen Branchen, auch inländische Bauarbeiter im Osten müssen sich schon mit sehr viel weniger zufriedengeben als 17 Mark brutto. Viele Ost-Betriebe sind zudem nicht im Arbeitgeberverband und daher nicht tarifgebunden. 60 Prozent der Baubetriebe in Ostdeutschland zahlten nur Löhne zwischen 12 und 12 Mark, behauptet gar der Bauindustrieverband Berlin-Brandenburg. Mit einem allgemeinverbindlichen Lohnlimit kämen die wackligen Ost-Betriebe endgültig in die Bredouille. Der sächsische Bauindustrieverband stimmte daher gegen den Mindestlohn. Ein von der BDA geforderter Mindestlohn von 15 Mark aber war mit der Industriegewerkschaft Bau- Agrar-Umwelt nicht zu machen, weil sonst die geltenden Tariflöhne (minimal 20,62 Mark die Stunde) zu weit unterschritten worden wären.

Das Tarifgefüge zerfällt

„Der in der Schlichtung gefundene Tarifvertrag gilt“, betonte unlängst der IG-Bau-Vorsitzende Klaus Wiesehügel. Das sehen auch die überregionalen Bauarbeitgeber so. Sie kündigten an, ihren Dachverband BDA zu verlassen, falls dieser den Mindestlohn heute ablehnt. Damit würde nicht nur das Unternehmerlager zerfallen, sondern auch das einheitliche Tarifgefüge. Landesverbände der Bauindustrie würden auf regional begrenzte Tarifverträge drängen.

Das drohende Scheitern des Entsendegesetzes sei „bezeichnend für die gesamtgesellschaftliche Großwetterlage“, sagt Europarechtsexperte Martin Mindermann von der Senatsarbeitsverwaltung in Berlin. „Das wird die Situation zwischen den Tarifparteien verschärfen.“

Andere Länder sind weiter: In Österreich gibt es seit vergangenem Jahr die Bestimmung, daß alle tariflichen Regelungen auch für zugereiste Beschäftigte aus dem Ausland zu gelten haben. In Frankreich ist ein allerdings sehr niedriger Mindestlohn von 12 Mark gesetzlich vorgeschrieben.

Auch die SPD hat schon ein Mindestlohngesetz gefordert. Ein gesetzlicher Mindestlohn aber schüfe neue Probleme für die Gewerkschaften. Sie verlören an Einfluß auf die Lohngestaltung. Außerdem könnte ein Mindestlohn leicht – wie in den USA – zum weitverbreiteten Niedriglohn werden.

Im Streit um die internationale Lohnkonkurrenz nützt es wenig, daß sich unlängst der EU-Ministerrat in Brüssel auf den Entwurf einer Entsenderichtlinie einigte. Eine solche Richtlinie müßte nämlich immer noch national umgesetzt werden. Und daran hapert es. Sprecher Martin Klaus Keune vom Zentralverband des Deutschen Baugewerbes zum heute erwarteten negativen Votum der Arbeitgeber: „Damit stehen wir wieder am Anfang.“ Barbara Dribbusch

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