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Eisige Komödie

■ „Das Orchester“ von Jean Anouilh im 'Theater im Schnoor‘ hatte Premiere

Leicht zu inszenieren ist das nicht. Auch nicht leicht zu spielen. Denn klar ist: Wenn ich (Publikum) schon ins Theater gehe, dann sollen die (Schauspieler) gefälligst was veranstalten. Fürs Auge und opulent und Tempo und Bewegung, daß es abgeht. Und dann kommen die (Schauspieler) daher und spielen ein Stück, das ist so bewegungsarm, daß mir (Publikum) der Atem stockt und dann stockt er noch mal, und das nicht aus Langsamkeit.

„Das Orchester“, der 1962 uraufgeführte Einakter von Jean Anouilh, der bis zum 15.7. im 'Theater im Schnoor‘ (bei schönem Wetter draußen im Freien) gastgespielt wird, ist aus anderem Material geschnitzt. In einem Bums im Nachkriegsfrankreich spielen Abend für Abend Madame Hortense und ihr Orchester, sechs Damen und ein Pianist, schwüle Nachtmusik jenseits künstlerischer Ambitionen. In den musikalischen Spielpausen lauscht man dem Gespräch der

MusikerInnen, erfährt, wie jede für sich einen Weg gefunden hat, die Lücke zwischen den schönen Träumen und der schnöden Realität eines mittelmäßigen Arbeitsalltags inklusive kleiner oder großer privater Knebelung, zu schließen. Sieben verschiedene Wege, die Realität zu leben, ohne sie wahrzunehmen, sieben Geschichten von der verzweifelnden Suche nach Liebe und Identität. Sieben mal die Lüge entdecken, wie sie sich aus den Worten der Musikerinnen schält, sieben mal der Umschlag der selbstzufriedenen Erzählungen in eine Litanei aus Leid und Haß und Auswegslosigkeit.

Eine Komödie. In ihrer Statik schmissig, witzig und dynamisch, gewürzt mit Wiedererkennungs-Effekten und der klebrigen Musik, die die verklebten Emotionen reizt und im Zaum gehalten von der rigiden Enge der schaugespielten Situation.

Eine schwierige Komödie. Pessimistisch, bitter und konstru

iert, zu allem in einen engen formalen Rahmen gesteckt. Die Arbeitssituation des Orchesters, die Bewegungslosigkeit auf der Bühne, zwingt dazu, grobes Schauspielerhandwerk weitgehend zu vergessen und nur mit kleinsten Nuancierungen Spannung zu erzeugen. Ein kaltes Stück, so kalt, daß das Lachen wieder friert. Eines, das nur realistisch zu spielen ist und in den Momenten am stärksten ist, wo mit der Contenance des Alltags-Gesichts der MusikerInnen der Realismus birst.

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Theater im Schnoor, bis 15.7., tägl. 21 Uhr

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