Einwanderer stützen Industrieländer: Philippinisches Weltwirtschaftswunder
Ein Zehntel der philippinischen Bevölkerung arbeitet im Ausland. Allein 2007 überwiesen sie 16 Milliarden Euro in die Heimat.
BERLIN taz | ArbeitsmigrantInnen aus den Philippinen sind eine wichtige Resource der Globalisierung: Ohne Seeleute aus dem südostasiatischen Archipelstaat, die rund 30 Prozent der Besatzungen weltweit stellen, müssten viele Schiffe in den Häfen bleiben. Ohne philippinische Krankenschwestern, die nicht selten ausgebildete Ärztinnen sind, würde das Gesundheitssystem der USA kollabieren. Eine Baustelle in den Golfstaaten ist ohne philippinische Arbeiter so undenkbar, wie es der Alltag der chinesischen Ober- und Mittelschicht in den Wirtschaftsmetropolen Hongkong und Singapur ohne philippinische Hausmädchen ist.
Rund neun Millionen Filipinos und Filipinas, gut 10 Prozent der Bevölkerung, arbeiten im Ausland. Davon über drei Millionen legal und befristet, etwa 1,5 bis 2 Millionen illegal. Der Rest lebt schon dauerhaft im Ausland. 2007 überwiesen ArbeitsmigrantInnen laut UNDP 16,29 Milliarden US-Dollar in die Philippinen. Das ist Platz vier hinter den MigrantInnen aus den Milliardenvölkerstaaten China und Indien und dem US-Nachbarn Mexiko. Auslandsüberweisungen tragen in den Philippinen 11,6 Prozent zum Bruttosozialprodukt bei und sind größter Devisenbringer. Wegen kolonialer Verbindungen - die Philippinen waren 1898 bis 1946 US-Kolonie - sind für philippinische MigrantInnen, in deren Heimat Englisch Amtssprache ist, die USA das Hauptziel. Aus Nordamerika kommen 66,2 Prozent der Auslandsüberweisungen.
Da rund 40 Prozent der Menschen in den Philippinen unterhalb der Armutsgrenze leben, ist es für eine sechsköpfige Durchschnittsfamilie eine wichtige Form sozialer Sicherung, mindestens einen Angehörigen im Ausland zu haben. Oft kann nur durch die Migration eines Familienmitglieds der Schulbesuch der Kinder oder ein bescheidener Wohlstand in Form eines Kühlschranks oder Fernsehers finanziert werden. Der Preis sind zerrüttete Familienverhältnisse und ein landesweiter Brain-drain zum Beispiel bei Ärzten.
Die Migration wurde in der Marcos-Diktatur (1972-1986) massiv gefördert und minderte den Druck auf innenpolitische Reformen. Triebkräfte sind im einzigen überwiegend katholischen Land Asiens die Armut und das hohe Bevölkerungswachstum. Gute Englischkenntnisse, hohes Bildungsniveau und niedrige heimische Löhne machen philippinische Arbeitskräfte begehrt.
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