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„Eintopf wie beim Führer“ zum Film über „Auschwitz–Legende“

■ Ehemaliger Wehrmachtsgeneral Remer wurde wegen Verbreitung faschistischen Gedankenguts mit einem milden Urteil bedacht / Französischer Film über „Auschwitz–Lüge“ wurde vorgeführt

Kempten (taz) - Das Urteil war so milde wie die Prozeßführung in der Berufungsverhandlung: drei Monate Gefängnis für den ehemaligen Wehrmachtsgeneral Otto Ernst Remer. Die Strafe wird gegen Zahlung einer Geldbuße von 1.000 Mark an den „Bund der Kriegsblinden“ zur Bewährung ausgesetzt. In der ersten Instanz war Remer zu sechs Monaten Gefängnis und zur Zahlung von 1.000 Mark an den „christlich–jüdischen Koordinierungsrat“ verurteilt worden. Damals kam es zu Tumulten durch Anhänger der rechtsradikalen Symbolfifur. Verurteilt wurde Remer, weil er Videokassetten mit dem Titel „Le chambre du gaz“ verbreitet hat. Auf denen doziert der französische Professor Robert Faurisson über die „Legende“, daß es in Auschwitz Gaskammer gegeben habe. Diesen Film hat der General dem Stern–Reporter Gerhard Kromschröder und Burkhart List von der Wiener Zeitschrift Basta in seiner Kaufbeurer Wohnung vorgeführt. Die Journalisten hatten sich als österreichische Rechtsradikale auf Deutschlandtournee getarnt. Kromschröder erzählt vor Gericht, wie sie dort von Frau Remer zum „Eintopf wie beim Führer“ eingeladen wurden. Die Generalsgattin gibt auch noch einen „Witz“ zum besten, nach der jemand, der an seinem Gasfeuerzeug schnuppere „ein Jude, der sich nach Auschwitz sehne“ sei. Bei den Aussagen Kromschröders zischelt es „Lügner“ und „Drecksau“ von den Zuschauerbänken. Einige tragen ein silbernes Abzeichen vor der Brust. Offensichtlich ist es das Parteiabzeichen für Remers „Deutsche Freiheitspartei“. Kromschröder hatte im Stern geschildert, daß Remer den Judenwitz auch beim „Kameradschaftstreffen der SS“ am 12. Mai 1985 in Nesselwanger Hotel „Krone“ erzählt habe. Das Hotel war am Vortag von 5.000 Gegendemonstranten umlagert und mit Eiern und Steinen beworfen worden. Gegen die Belastungszeugen läßt Verteidiger Cay Graf Brokdorff die damals anwesenden SS– Leute aufmarschieren. Von diesem Witz oder von Ausdrücken wie „Demokröten“ oder „Scheißdemokratie“ haben sie allesamt nichts gehört, schwören sie. Karl Hase (“SS“–Division Leibstandarte Adolf Hitler) erinnert sich nur „von alten Zeiten geklönt“ zu haben. Remer wird konsequent als der „Herr General“ angesprochen. Ein „beliebter und tapferer Vorgesetzter“ (Brehmke). Remer hat als Chef von Hitlers Wachbataillon die Widerständler um Graf Stauffenberg am 20. Juli 1944 verhaften lassen. Auf seinen Anteil daran, daß diese „feige Verschwörung der Schreibtischgeneräle „ gescheitert ist, sei er heute noch stolz, erklärt er vor Gericht. Richter Adolf Kössinger stellt gleichbleibend freundlich immer diesselben Fragen. Auch als Remer–Sekretär Gerd Zikele, ein wegen neonazistischer Aktivitäten aus dem Pfarrdienst entlassener Geistlicher, sich in Widersprüche verwickelt. Heiterkeit im Saal, als der Günzburger Josef Baumeister in nicht endenden Redeschwall erklärt „an ihm sei ein Schriftsteller“ verloren gegangen. Er bezeichnete sich als „Mengele“–Experte und habe sogar ein „schönes Gedicht“ über den KZ–Arzt und Massenmörder verfaßt. Verteidiger Brokdorff bezeichnete Remer als „Forschenden nach geschichtlicher Wahrheit“ und stellt immer neue Beweisanträge. Der Graf hat Professor Faurisson nach Kempten geholt und möchte ihn als Zeuge auftreten lassen. Das wird abgelehnt. Stattdessen wird „Le chambre du gaz“ vorgeführt. Faurisson doziert darin in pseudowissenschaftlicher Attitüde: „Vergasung war in den einfachen Räumen von Auschwitz nicht möglich. Fazit der grausigen Lehrstunde: Gaskammern gab es in Auschwitz keine, wohl aber Schwimmbad, Fußballplätze und Sauna. Walter Metzger

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