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Einspruchsfrist bei Google zu Ende3 von 100 gegen Street View

Google zieht Bilanz: 240.000 Widersprüche gingen dort ein. Das entspricht drei Prozent der Haushalte in den betroffenen Städten. 200 Leute wurden eingestellt, um die Widersprüche abzuarbeiten.

Was bleibt übrig zum Klicken? Bild: dapd

BERLIN dpa | Gut 244.000 deutsche Haushalte haben bisher verlangt, die Abbildung ihrer Häuser aus Googles Straßenatlas Street View zu entfernen. Das seien knapp drei Prozent der Haushalte in den 20 Städten, für die Street View bis Ende des Jahres starten soll, teilte Google am Donnerstag in einem Blog-Eintrag mit. Es ist das erste Mal, dass der Internet-Konzern die Zahl der Anträge nennt.

Nach einem Widerspruch werden die Gebäude in den Panorama-Straßenansichten unscharf dargestellt. Wenn auch nur ein Mieter eines Mehrfamilienhauses dies fordert, wird das ganze Gebäude "verwaschen" angezeigt. Die Aktion kann nicht rückgängig gemacht werden, da Google dafür die Originalbilder verändert.

Die Vorab-Widerspruchsfrist für die 20 größten deutschen Städte war am Freitag abgelaufen. Google hatte das Zeitfenster für Anträge über ein Online-Tool nach Forderungen aus der Politik auf acht Wochen verdoppelt. Unter anderem Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) hatte dem US-Konzern wiederholt vorgeworfen, mit Street View die Privatsphäre zu verletzen.

Nach der Aufregung der vergangenen Monate fällt die Zahl der Widersprüche mit der Drei-Prozent-Quote deutlich geringer aus als es einige Umfragen nahelegten. So hatte zum Beispiel eine Emnid-Erhebung im Auftrag der Bild am Sonntag ergeben, 52 Prozent der Deutschen seien gegen die Abbildung ihrer Wohnung oder ihres Hauses in Street View.

Google habe exakt 244.237 Anträge erhalten, schrieb der verantwortliche Produktmanager Andreas Türk. Das entspreche 2,9 Prozent der Haushalte in den 20 Städten. Zwei von drei Anträgen seien über das seit August verfügbare Online-Tool gestellt worden.

Der für Google zuständige Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar hält die Zahl der Widersprüchen für bemerkenswert hoch. Die Zahl der Einsprüche werde von Google kleingeredet, sagte Caspar. "Ich bin nicht davon ausgegangen, dass es doch so viele sind."

Wenn man die Quote der Einsprüche in den 20 Städten bundesweit hochrechne, "sind wir deutlich im siebenstelligen bereich von über einer Million". Caspar ist als Hamburgischer Datenschutzbeauftragter für Google zuständig, da das US-Unternehmen den Deutschland-Sitz in der Hansestadt hat.

Die 20 Städte sind Berlin, Bielefeld, Bochum, Bonn, Bremen, Dortmund, Dresden, Duisburg, Düsseldorf, Essen, Frankfurt/Main, Hamburg, Hannover, Köln, Leipzig, Mannheim, München, Nürnberg, Stuttgart und Wuppertal.

Per Brief konnte ein Mieter oder Immobilienbesitzer bereits seit April 2009 Google auffordern, sein Haus bei Street View unkenntlich zu machen. Der Internet-Konzern betont, dass die Anträge auch nach dem Start des Dienstes jederzeit gestellt werden können und das Vorgehen mit deutschen Datenschützern abgestimmt sei.

Google betreibe einen großen Aufwand, um die Anträge richtig umzusetzen, schrieb Google-Manager Türk. "Allerdings lässt sich bei derartigen Prozessen nicht garantieren, dass jeder Antrag, der uns erreicht hat, auch vollständig bearbeitet werden kann", schränkte er ein. Zum Beispiel seien in einigen Fällen die angegebenen Adressen nicht eindeutig zuzuordnen, weil Angaben nicht lesbar oder die Beschreibungen eines Gebäudes nicht eindeutig gewesen seien.

Die Widersprüche werden einzeln per Hand bearbeitet. Google stellte dafür rund 200 zusätzliche Mitarbeiter ein. Für jedes Gebäude müssen mehrere Bilder verändert werden, damit es aus allen Blickwinkeln nicht zu erkennen ist. Google hatte für Street View die Straßen mit speziellen Kamerawagen abgefahren.

Für zusätzlichen Ärger sorgte dabei, dass die Fahrzeuge über Jahre auch Informationen aus offenen Wlan-Netzen abgriffen. Google betont, das sei nur versehentlich durch einen Software-Fehler geschehen, die Daten seien nicht genutzt und inzwischen vernichtet worden. Zuletzt wurde deswegen in Spanien diese Woche ein Verfahren gegen Google eingeleitet.

Aigner hatte bereits vor Ablauf der Frist verlangt, Google solle die Zahl der Widersprüche nennen. Der Konzern hielt bisher dagegen, das brauche seine Zeit, da zum Teil Anträge doppelt eingereicht worden seien oder sich auf andere Google-Produkte bezogen.

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5 Kommentare

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  • G
    Grønberg

    Schon komisch mit anzusehen, wie panisch die Deutschen auf Google und Co. reagieren. Hier in Norwegen findet man es einfach nur toll und bisher hat es auch noch keinem geschadet. Wieso wird die Privatsphäre verletzt, wenn jemand ein Bild von einem Haus macht? Werden jetzt auch alle Hobby-Fotografen bei Flickr und Co. verklagt, nur weil sie einen Straßenzug fotografiert haben.

     

    Machen sich die Damen und Herren, die ihr Haus in Street View unkenntlich machen eigentlich Gedanken darüber, dass dadurch ihr Häuschen erst recht interessant wird? Was ist mit Google Maps, da kann man sogar in den Hintergarten schauen. Warum gehen sie dagegen nicht vor, Frau Aigle?

     

    Grønberg

  • M
    monika

    @agtrier:

    Typisch dümmliche Milchbubi-Logik von Google-Fanboys!

    Weil jemand vielleicht über andere Datensammelkraken nicht voll informiert ist oder möglicherweise sich sogar falsch verhält weil er zu gutgläubig einer Behörde glaubt, ist also gleich mal jeder korrekt gegen die Datensammelkrake Google vorgeht und schlicht und einfach sein GRUNDRECHT auf informationelle Selbstbestimmung einfordert ein blöder Idiot und hat deshalb jedes Recht verwirkt einen Datensammler zu kritisieren oder zu widersprechen, der meine privaten Daten zur gewerblichen Verwertung sammelt und damit ganz nebenbei noch seine Monopolstellung im Internet stärkt...

     

    Wenn Schäuble exakt die selben Daten wie Google für den Staat gesammelt hätte, würdet ihr das zurecht kritisieren und es als miesen Polizei- und Überwachungsstaat beschimpfen - wenn aber ein gigantischer Wirtschaftskonzern (den ihr ja sooo süß und sympathisch findet) dieselben Daten von euch sammelt, schmilzt euer Hirn dahin und jede Kritik daran ist natürlich völlig unberechtig... mit Verlaub aber ihr seid doch nicht ganz sauber im Kopf und anscheinend nichts weiter als scheinheilige Maulhelden, wenn es um das Thema Grundrechte und informationelle Stelbstbestimmung geht.

  • F
    Fabian

    Ich bezweifle allerdings stark, dass bei rund 200.000 Anträgen nur 3% aller Haushalte in den genannten Städten betroffen sind. Da es z.B. für eine Unkenntlichmachung eines gesamten Hauses ausreicht, wenn nur eine Partei in einem Mietshaus den Antrag stellt, schätze ich den Anteil wesentlich höher als 3% ein.

  • J
    jack

    Nur ein kleine Ergänzung: mit dem Ablauf der von Google gesetzten Frist ist die Möglichkeit zum Widerspruch nicht abgelaufen. Weitere Widersprüche können jederzeit auch in Zukunft eingelegt werden und müssen berücksichtigt werden. Insbesondere wenn sich Eigentumsverhältnisse ändern kann sofort eine Anonymisierung durchgesetzt werden.

  • A
    agtrier

    Ich wette, die meisten, die ihr Haus nicht fotografiert haben wollen, haben sich noch nie Gedanken darüber gemacht, welche Daten auf dem neuen Personalausweis (RFID!) gespeichert sind, dass auf Flughäfen bald Naktscanner eingeführt werden, und dass Einwohnermeldeämter fleißig ihre Meldedaten verkaufen... u.s.w.u.s.f.

     

    Alles egal - Hauptsache Google hat kein Foto der Hausfassade!

     

    Aber - ätsch! - alles war umsonst: Neben Google gibt es noch dutzende andere Anbieter, die genau das gleiche machen. Und für die gilt der Widerspruch nicht!