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EinsparungenIm Jahr der Frösche

Bei der Pressekonferenz zum 17. Filmfest Oldenburg sprach Festivalleiter Torsten Neumann über Kürzungen der Fördergelder, die für das Festival existenzbedrohend sind.

Geld für Frösche: 40.000 Euro stellt die Stadt Oldenburg für die Anlage eines Amphibienteiches bereit, beim Filmfestival wird gespart. Bild: Festival

Der Frosch ist in diesem Jahr das Maskottchen des Filmfest Oldenburg - und dies, obwohl er im Grunde ein Konkurrent ist. 40.000 Euro stellt die Stadt für die Anlage eines künstlichen Amphibienteiches bereit, obwohl in und um Oldenburg herum ja nun wirklich kein Mangel an Feuchtgebieten und ihren glitschig-grünen Bewohnern herrscht. So viel ist das Filmfest den Entscheidungsträgern im Rathaus offensichtlich nicht wert, denn in diesem Jahr wurde dessen Förderung durch die Stadt um mehr als die Hälfte gesenkt.

Die Förderung von Lurchen mit der einer Kulturveranstaltung zu vergleichen ist natürlich ein Witz. Aber kein schlechter! Und genau so präsentierte ihn der Gründer und Leiter des Festivals Torsten Neumann auch bei der Pressekonferenz, die traditionell einen Monat vor dem Filmfest stattfindet und deren Hauptattraktion jeweils die Präsentation des neuen Kinotrailers ist. Und in diesem wird diesmal von Freunden und Unterstützern des Festivals wie Seymour Cassell, Ken Russell, Stacey Keach und Peter Lohmeyer ein Witz erzählt - natürlich ein Witz über einen Frosch. Obwohl die einzelnen Sequenzen des Spots etwa in New York und Vancouver gedreht wurden, ist er dank der digitalen Kameras und unbezahlter Arbeit der Macher spottbillig. Auch dies ist eine ironische Antwort auf die Kürzungen.

Dabei ist die Situation alles andere als witzig, und man merkte es dem sonst so souveränen Torsten Neumann an, wie schwer es ihm fiel, zu erklären, warum dies vielleicht das letzte Filmfest Oldenburg sein könnte. Denn bei einem Budget von etwa 300.000 Euro ist eine Kürzung um 52.500 Euro, zu der noch die weitere Reduktion einer Förderung durch den europäischen Fonds für regionale Entwicklung um 10.200 Euro kommt, nicht zu bewältigen, ohne dass das Filmfest an Format verliert. In diesem Jahr gab es noch einmalige und kurzfristige Lösungen durch Sponsoren, aber auch so fallen schon Veranstaltungen wie der beliebte Kinobruch am Sonntagmorgen oder eine Gala in Kooperation mit dem Staatstheater aus, und alle Preisgelder wurden halbiert.

Doch im nächsten Jahr müsste so rigoros weggespart werden, dass das Filmfest ohne solche Attraktionen wie den German Independence Award oder die Retrospektive (die in diesem Jahr dem Produzentenveteran Radley Metzger gewidmet ist) zu einer Provinzveranstaltung verkommen würde.

Dabei ist das Besondere am Filmfest Oldenburg seine Weltoffenheit, die sich etwa dadurch ausdrückt, dass viele unabhängige Filmemacher aus den USA gerne nach Norddeutschland kommen. In der jungen Filmszene der USA gilt Oldenburg als deutsche Version des Sundance Festivals und der alter Haudegen des Independent Cinema, Seymour Cassell, ist inzwischen Stammgast. Zumindest in Norddeutschland ist das Oldenburger Filmfest das originellste, jüngste und frechste.

In den Anfangsjahren mag es manchmal etwas chaotisch gewesen sein, aber diese Kinderkrankheiten hat es in den letzten 16 Jahren längst hinter sich gelassen. Stattdessen gab und gibt es immer wieder erstaunliche Neuerungen wie die beiden vom Filmfest produzierten "99 Euro"- Kurzfilmkompilationen oder die Einrichtung einer festen Spielstätte in der Justizvollzugsanstalt Oldenburg, wo die Insassen die gezeigten Filme jeweils auch auf den Fernsehern in ihren Zellen sehen können.

In diesem Jahr wird zwischen dem 15. und 17. September die US-Schauspielerin Deborah Kara Unger die Jurypräsidentin sein, direkt vom Filmfestival Venedig weg wird der Spielfilm "A Woman" mit Willem Dafoe gezeigt, ein Tribut wird dem Schauspieler Timothy Bottoms gewidmet und Julien Temple wird seine Musikdokumentation über die Pub-Rocker "Dr. Feelgood" präsentieren.

Wenn man aber in Zukunft nicht mehr beim Filmfest das Unerwartete erwarten kann, stellt sich die Frage für die Organisatoren und Unterstützer, ob es sich lohnt, weiterzumachen. Und: Wie lieb und teuer ist das Filmfest den Oldenburgern eigentlich wirklich?

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