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Eins zu null für Brasiliens Bürokratie

Der mit großen Ambitionen angetretene Sportminister Pelé kann sechs Monate nach seiner Amtsübernahme nur eine ziemlich magere Bilanz vorweisen  ■ Aus Rio de Janeiro Astrid Prange

Ob Fußballkönig Pelé wohl noch den Traum hegt, einmal Staatsoberhaupt Brasiliens zu werden? Nach sechs Monaten als außerordentlicher Minister für Sport darf daran gezweifelt werden. Der Spitzensportler, der Brasilien dreimal zum Fußballweltmeistertitel verhalf (1958, 1962 und 1970), scheint im Wust der brasilianischen Polit-Bürokratie unterzugehen. Angesichts der mageren Bilanz hat der Minister keine Zeit für Öffentlichkeitsarbeit, geschweige denn Interviews. In der brasilianischen Presse taucht sein Name seit der Amtsübernahme im Januar dieses Jahres kaum noch auf.

„Pelé hat sich immer darüber beschwert, daß die Regierung den Breitensport links liegenläßt“, erklärt sein persönlicher Sekretär Pepito vom Fußballklub FC Santos, wo Pelé im Alter von fünfzehn Jahren seine Karriere begann. Er sähe deshalb seine Aufgabe als Minister darin, mit Hilfe von privaten Geldern sportliche Aktivitäten unter Jugendlichen aus armen Bevölkerungsschichten zu fördern.

Das hört sich prächtig an, erweist sich jedoch im brasilianischen Alltag als höchst kompliziert. „Pelés wichtigste Handlung bis jetzt war die Gründung des Nationalen Instituts für die Entwicklung des Sportes“, bescheinigt Joaquim Ignacio, Vorsitzender der neuen Einrichtung „Indesp“, seinem Vorgesetzten. Dieser Schachzug ermögliche es, daß der Sportminister direkt über die rund 50 Millionen Dollar verfügen könne, die der Staat aus den Sportlotterien einnimmt. Eigentlich gehört die Sparte Sport zum Aufgabenbereich des Erziehungsministeriums. Durch die Gründung einer neuen „bundeseigenen Institution“, so Ignacio, sei Pelé nun nicht mehr vom Erziehungsminister abhängig. Mit anderen Worten: Erst nach dem bürokratischen Befreiungsschlag ist Pelé überhaupt handlungsfähig geworden.

„Pelés Plan ist es, in ganz Brasilien kleine Sportzentren zu säen“, beschreibt Joaquim Ignacio die Absichten des Sportministers. Die Anlage eines Sportplatzes sei nicht teuer, und es läge dann im Interesse der einzelnen Gemeinden, die Initiative mit anderen Schuleinrichtungen oder Erste-Hilfe-Stationen zu vervollständigen. In den Elendsgürteln rund um den Großraum Rio de Janeiro solle mit dem Projekt begonnen werden.

Ansonsten versucht der 55jährige Edson Arantes do Nascimento, so der amtliche Name des Fußballidols, an drei Tagen in der Woche in der Hauptstadt Brasilia Politik ohne Geld zu machen. Seine Auslandsreisen zahlt der Minister – nach 20 Jahren Karriere und anschließender reger Geschäftstätigkeit 25facher Millionär – selbst. „Pelé kann mit Politikern umgehen, er ist daran gewöhnt, daß ihm die Leute wegen seines Geldes den Hof machen“, vertröstet Sekretär Pepito Kritiker des bisherigen Regierungsstils von Pelé und versucht die Hoffnung zu nähren, daß sich die Erfolge mit der Zeit schon einstellen werden – so wie im Fall der Sportanlagen von Industrieunternehmen.

Seine guten Verbindungen zu den Führungskräften der brasilianischen Industrie nutzte der Unternehmer Pelé zugunsten der Schulkinder. Ein Federstrich verschaffte den Jugendlichen wochentags Zutritt zu den unzähligen Sportklubs des sozialen Dienstes der brasilianischen Industrie (SESI), die von den Firmenangestellten nur am Wochenende benutzt werden. Auch Brasiliens Ureinwohnern will Pelé durch den Sport zu sozialer Anerkennung verhelfen: Im vergangenen April wurden in Brasilien erstmals Olympische Spiele für Indianer ausgetragen.

Die jüngsten Schlagzeilen produzierte aber nicht der Minister, sondern der Unternehmer Pelé. Er bot dem argentinischen Fußballgenie Diego Armando Maradona die „Nummer 10“, sein ehemaliges Trikot, beim Fußballklub FC Santos an. Pelé hatte sich für den Wechsel nicht ganz uneigennützig stark gemacht, denn seine an der Vermittlung Maradonas beteiligte Firma „Pelé Sports & Marketing“ sollte das Exklusivrecht für die kommerzielle Nutzung des Markenzeichens „Maradona“ erhalten. Doch Argentiniens gerade wiedergewählter Präsident Carlos Menem brachte den Handel zum Scheitern: Er pfiff seinen getreuen Wahlhelfer Maradona an den Rio de la Plata zurück. Dort will der 34jährige im September – nach Ablauf seiner Dopingsperre, die er sich wegen Ephedrinmißbrauchs während der WM 1994 in den USA eingehandelt hatte – einen neuen Versuch unternehmen, seiner bewegten Karriere einen würdigen Abschluß zu verleihen. Und zwar bei den Boca Juniors, jenem Klub aus Buenos Aires, wo er als Jugendlicher die ersten großen Triumphe feierte. Der FC Santos aber geht leer aus. Wahrlich keine rosigen Zeiten für den erfolgsgewohnten Pelé.

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