■ Einmal um die ganze Welt ...: Glück des Tüchtigen
Tüchtig ist, wer Glück hat. Ich hatte Pech. Der Tag war grauenvoll: Chef unfähig, Urlaub zu Ende, dito Knete. Das Tempo in der Stadt, habe ich von Kreta meiner Freundin geschrieben, läßt einem nur zwei Möglichkeiten: mitrennen oder stehenbleiben. Als Freund schneller Entschlüsse blieb da nur eins: stehenbleiben. Statt zur Schwarzarbeit, zum Therapeuten oder in die Schuldnerberatungsstelle drängte es mich in die Sauna, um mal wieder richtig fit zu sein für den Abend in der Kneipe. Trocken freilich war ich immer noch: der Chef blieb stur und meine Kollegin Barbara sah aus, als hätte sie ihr ganzes Geld beim Pferderennen verloren. Selbst mit dem alten Trick, vermittels der eigenen EC-Karte in fremden Bankrevieren zu wildern [kenn' ich. d. Korr.], hatte ich tüchtig Pech. Mit hängender Miene trabte ich zur nächsten Sparkasse, um wenigstens die restlichen Drachmen zu tauschen. Viereinhalb zerknitterte Tausender zählte ich dem Schalterbeamten auf den Tresen. Der glättete pikiert die Scheine und zählte durch: fünftausendfünfhundert. Ich nickte schnell, atmete durch und machte mich, kaum hatte ich fünfunddreißig Mark in der Hand, im Laufschritt aus dem Schalterraum. Pech fürs Pech, dachte ich, leistete mir eine Fahrkarte und setzte der Saunawirtin gegenüber mein Feiertagslächeln auf. Ich traute meinen Augen nicht. Statt zwei Mark Rückgeld drückte sie mir zwölf in die Hand. Tüchtig Glück, ich nahm es nickend zur Kenntnis. Der Abend war also gerettet. Über die abgebrannten Gestalten in meiner Stammkneipe konnte ich nur lachen, und kurz bevor Brigitte zur Abrechnung schritt, bot sich ein entfernter Bekannter an, die Rechnung zu übernehmen. Ich faßte den zweiten Entschluß des Tages: am nächsten Morgen arbeiten zu gehen und meinem glücklosen Chef bei Gelegenheit zehn Mark zu borgen. Sans Culottes
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