■ Einigungsverhandlungen Bündnis 90-Grüne: Prestigegewinn statt Namensverlust
Morgen laufen die Marathonverhandlungen zwischen Bündnis 90 und den Grünen in die Zielgerade. Doch es war kein Wettkampf, kein Armdrücken oder Fingerhakeln, sondern über weite Strecken eher ein gemeinsamer Orientierungslauf. Auch im Schlußspurt dürfte allen Beteiligten klar sein: Wir können nur gemeinsam gewinnen oder andernfalls, womöglich sogar übereinander, stürzen. Und das in einer Zeit, die dringender denn je einer demokratisch-bürgerbewegten Alternative bedarf. Gleiche Grundmotivation und inhaltliche Übereinstimmung haben auf beiden Seiten der Mauer Geistesverwandte und jetzt ein in Deutschland unvergleichbares Projekt entstehen lassen.
Kern des Ganzen ist ein Grundkonsens, welcher die Grundwerte, die künftigen Strukturen, politische Kultur und demokratische Willensbildung beschreibt. Noch offen ist der Familienname von „GeOrg“ (so der Arbeitstitel für die Gemeinsame Organisation). Bekanntlich sind Namensdiskussionen die leidenschaftlichsten. Genau darum geht es aber, wenn „GeOrg“ – „Bündnis 90/Die Grünen“ (Kurzform „Grüne“) heißen soll. Damit bleibt die Farbe Grün richtungsbestimmend, so wie Schwarz und Rot ihre Zuordnung haben. Allein die internationale Reputation wird dafür sorgen, daß der Begriff Grüne im Sprachgebrauch bleibt. Mit Bündnis 90 am Anfang wird die Tradition des Herbstes 89, der einzig positiv besetzte politische Begriff aus dem Osten – ein Handlungsgebot an sich –, hochgehalten. So wird es deutlich: es ist ein Zusammengehen und kein Anschluß. Das tragende Motto lautet nicht: Immer der Größe nach und hinten anstellen!
Bündnis 90 ist kein Anhängsel, das von flüchtigen Zeitungsschreibern und Kommentatoren mal eben weggelassen werden kann. Kein Schattenplatz hinter oder neben der Sonnenblume. Bündnis 90 ist nicht dazugekommen, sondern Ausstrahlung erhält das Ganze, indem beide politisch vorangekommen sind. Sicher, für alle Grünen, die in ihrem westdeutschen Alltag wenig vom Umbruchprozeß der deutschen Einheit spüren, eine große Herausforderung. Doch nur so können sie am deutlichsten nachempfinden und bekunden, was es bedeutet, daß Bündnis 90 abverlangt wird, sich aufzulösen und per Vertrag beizutreten. Ansonsten wird es bestimmt sehr schwer, in der erforderlichen Urabstimmung dem Trauma „Beitritt“ und der Trotzreaktion, sich diesmal verweigern zu können, entgegenzutreten. Vor allem keine Angst, liebe Grünen, auch wenn der Name Meier – wie bei Ingrid Matthäus-Maier – mal hinten steht, führt das nicht zu seinem Verschwinden. Werner Schulz, Mitglied des Bundessprecherrates
Bündnis 90
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