: Einigermaßen grotesk!
■ betr.: "Mama darf sich irren" von Christel Dormagen, taz vom 7.7.90
betr.: „Mama darf sich irren“
von Christel Dormagen,
taz vom 7.7.90
Es ist immer interessant, über Veranstaltungen zu lesen, die man selber miterlebt oder gar mitgestaltet hat. Noch interessanter ist es, dabei dann unversehens auch über sich selbst etwas zu lesen, etwa wenn man einen Vortrag gehalten hat...
Überhaupt nicht interessant beziehungsweise höchst frustrierend ist es freilich, wenn man sich da plötzlich als „Fundamentalistin“ in Sachen Feminismus bezeichnet und dargestellt findet.
Nach Christel Dormagens Warnehmung „forderte“ (!) ich in meinen Ausführungen „unbedingte politische Autonomie für Frauen“, und dies zu lesen, ist nun einigermaßen grotesk für mich!
Mein Eingangsvortrag zu diesem Workshop in Glienicke, der zur Auflage hatte, die persönliche Geschichte in die Frauenbewegungsgeschichte einzuschreiben, setzte sich im Schlußteil mit den Thesen der Mailänderinnen („Wie weibliche Freiheit entsteht. Eine neue politische Praxis“, Berlin 1988) auseinander, um Anregungen für die folgenden Arbeitsgruppen zu bieten. Diese Auseinandersetzung erschöpfte sich eben nicht in einer polarisierten Forderung nach politischer Autonomie von Frauen, sondern bemühte sich ganz im Gegenteil darum, die unfruchtbare Streiterei zwischen „Institutionellen“ und „Autonomen“ im Frauenbewegungsdiskurs aufzulösen, ohne freilich die besondere Spannung, in die uns der autonome Politikbegriff der Mailänderinnen bringt, einfach unterzumischen. Indem ich ihn mir genauer ansah und weitertrieb, konnte ich die Frage nach dem Subjekt anbringen. Für mich persönlich ist es unannehmbar, den Begriff des Politischen zu sondieren, indem ich Subjektivität ausblende: Welche Funktion und Qualität kann eine gesellschaftliche Veränderung besitzen, wenn wir als einzelne uns in ihr nicht mehr realisiert fühlen?
Mein Vortrag endete daher auch mit der hoffnungsvollen Frage: Ob wir es in der Bewegung wohl je schaffen werden, einen Politikbegriff für uns alle zu entwickeln, der breit und differenziert genug ist, alle unsere widerständigen Potentiale in sich aufzunehmen...?
Dr. Eva Koch-Klenske, Berlin (West)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen