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Archiv-Artikel

Eingriff mit Risiken

KLINIKEN Per Powerpoint hat der Chef der Klinik-Holding deren „medizinisches Zukunftskonzept“ präsentiert. Kritische Fragen gibt’s viele – stimmige Antworten nicht

Die Frage ist, ob man einen Betrieb mit 8.000 intelligenten MitarbeiterInnen von oben herab umkrempeln kann

VON KLAUS WOLSCHNER

Am 22.Juni soll der Aufsichtsrat grünes Licht für das „medizinische Zukunftskonzept“ der vier kommunalen Bremer Kliniken geben – aber welches Konzept eigentlich, darüber gibt es derzeit viel Rätselraten. Der Chef der Klinik-Holding „Gesundheit-Nord“, Diethelm Hansen, hat seit sechs Wochen eine Powerpoint-Präsentation dabei, die er dutzende Mal gezeigt hat. Die enthält aber – typisch Powerpoint –nur Power-Worte. Ein ausführliches Konzept fehlt bislang.

Klar ist nur eines: Bremens Kliniken sollen mal wieder umbenannt werden. Die Holding soll „Klinikum Bremen“ heißen mit dem Wörtchen „Regional“ dazwischen, also „KRB“. Was bisher „Klinik“ heißt, etwa „Klinikum Mitte“, soll „Standort Mitte“ heißen. Damit wird klargestellt, dass die vier Kliniken zum Einheitsbetrieb verschmelzen sollen. Früher gab es große Debatten darum und viele kritische Einwände. Diesmal wurden das neue Etikett und seine Botschaft nicht einmal begründet.

Rot-Grün hatte sich im Koalitionsvertrag noch gegen den Einheitsbetrieb positioniert, die CDU-Gesundheitspolitikerin Rita Mohr-Lüllmann war schon immer dafür. Aber glücklich ist sie nicht mit ihrem Erfolg. Sie ist Vorsitzende des Klinik-Ausschusses, mit dem die Bürgerschaft ihren Teil der Kontrolle ausüben sollte: Immerhin bürgt das Parlament für die Investitionen und trägt das finanzielle Risiko. Aber Mohr-Lüllmann erfährt nichts Genaueres über die Pläne des Klinik-Chefs. Sie ist so abgenervt, dass sie ihren Ausschuss in Frage stellt: „Die Transparenz ist nicht gegeben, ich kann keine Kontrolle ausüben“, sagt sie, und: „Wir haben genügend Gremien, in denen ich Fragen stellen kann, die dann nicht beantwortet werden.“

Die Powerpoint-Show des Klinik-Chefs werfe mehr Fragen auf als sie beantwortet, und vor allem, sagt Mohr-Lüllmann, „gibt es da keine Zahlen“: Wie steht das medizinische Konzept zu dem im vergangenen Herbst vorgelegten Finanzkonzept? Was kostet es? Muss es Korrekturen an der Neubauplanung geben? Wenn der Aufsichtsrat das nicht genau erfährt, kann er im Grunde nicht zustimmen, ist Mohr-Lüllmann überzeugt. Eine wirkliche Diskussion gibt es auch aus einem anderen Grunde nicht: Die Chefetage der Holding hat den Leitungen der vier Kliniken schriftlich mitgeteilt, dass sie gefälligst die Klappe zu halten haben. „Maulkorb“ wird das Schreiben intern genannt.

Solange sie nichts Genaueres wissen, wollen auch die Betriebsräte nicht zustimmen. Es sollte eine „Diskussion“ stattfinden des Konzepts, es gibt aber vor allem Fragen – drei Seiten Fragen hat der Konzernbetriebsrat schriftlich gestellt und bisher nicht beantwortet bekommen. Die Geschäftsführungen der Kliniken schweigen daher. Selbst der Betriebsrat des Klinikums Mitte, dessen defizitärer Betrieb von der zentralen Kasse vor allem Vorteile hat, fragt nach der genauen Finanzplanung und fordert „die Beteiligung der Beschäftigten an den Veränderungsprozessen“.

Der Betriebsrat der Klinik Bremen-Ost hat den Eindruck, dem eigenen Hause würden „wirtschaftliche Standbeine entzogen“. Er hat angekündigt, „den Weg nicht mitgehen“ zu wollen. Stattdessen fordert er „eine offene und tabulose Diskussion“. Der Betriebsrat der Klinik Links der Weser listet seinerseits drei Seiten Fragen auf – bisher unbeantwortet. Dem „Zukunftskonzept fehlt jedes ökonomische und personalwirtschaftliche Konzept, ganz zu Schweigen von der daraus abzuleitenden medizinischen und pflegerischen Machbarkeit“, heißt es in der Stellungnahme. Zugleich verweist der Betriebsrat auf ein anonymes Kritik-Papier, in dem das „medizinische Zukunftskonzept“ – offenkundig von versierten Fachleuten – auseinander genommen wird. Wieso zum Beispiel soll die Jugendpsychiatrie nicht bei der Psychiatrie in Ost bleiben, sondern nach Mitte verschoben werden?

Das, was die Zukunfts-Präsentation als „Kopf-Zentrum“ ausmalt, erscheint dem Kritiker als „Grabbeltisch“. Mehrfach artikuliert er fachliche Bedenken gegen das Hin- und Her-Geschiebe medizinischer Abteilungen. Kernpunkt: Die Behauptung, große zentralisierte Einheiten seien effektiver, ist zu schlicht, um darauf ein Konzept aufzubauen. Angebliche Sparpotenziale seien nirgends spezifiziert geschweige denn belegt. Vor allem müsse man den „Motivationsverlust“ dagegen rechnen, wenn man zu große Einheiten bilde.

Der Holding-Chef will für die zu bildenden „medizinischen Zentren“ neue Hierarchien einführen, „Zentrumsleiter“ – denen laut Präsentation die Chefärzte disziplinarisch untergeordnet werden. Die Zentren sollen zum Teil auf mehrere Kliniken verteilt arbeiten – damit werden die bisherigen Klinik-Geschäftsführer vollends entmachtet, sagen Kritiker.

„Systematische Unzuständigkeit“ könnte die Folge sein, so das anonyme Fachgutachten. Und auch die Krankenkassen, die grundsätzlich die Zentralisierung befürworten, haben Bedenken: Sie fürchten, sehr viel mehr Krankentransporte finanzieren zu müssen als bisher. Was die Kassen gar nicht mögen, ist die Vorstellung, künftig nicht mehr – wie vertraglich fixiert – mit vier Kliniken, sondern mit einem großem Partner verhandeln zu müssen, Hansen nämlich, der sich nicht in die Karten gucken lässt.

Auch die Chefärzte hat Hansen verunsichert: Für sie steht „neue Verträge ab sofort“ in der Folienpräsentation – sie sollen offenbar wesentliche Kompetenzen verlieren. Voll auf der Barrikade sind die Fachärzte. Während insbesondere das Klinikum Links der Weser in den letzten zehn Jahren große spezialisierte Facharztpraxen in seine Nähe geholt hat, mit denen man gut kooperiert und langfristige Verträge geschlossen hat, will Hansen diese Arbeiten in die Klinik zurückholen und zudem ambulante Facharzt-Zentren an den Standorten aufbauen – „zur umfassenden medizinischen Betreuung der Bevölkerung in der Region“, wie das die Präsentation umschreibt.

Seit Monaten liegt Hansen im Streit mit der Kassenärztlichen Vereinigung darüber. Wenn er wirklich die freien Praxen vom Klinikum Links der Weser vertreiben will, könnte das gut 50 Millionen Euro Schadensersatz und entsprechende Prozesskosten bedeuten, formuliert der anonyme Experte.

Die Frage stellt sich, ob man einen Betrieb von 8.000 intelligenten MitarbeiterInnen so von oben herab umkrempeln kann. „Es ist einfach unprofessionell, so mit Mitarbeitern umzugehen“, sagt nicht nur Mohr-Lüllmann. Die Vorsitzende des Klinik-Ausschusses der Bürgerschaft hat den Eindruck, dass Hansen niemanden ernst nimmt, niemanden „mitnimmt“ und bald alle gegen sich aufgebracht hat. Und hat große Sorgen, dass der zweite Anlauf der Klinik-Reform am Ende so scheitert, wie der unter Wolfgang Tissen. Denn Hansen versucht zum ersten Mal in seiner beruflichen Biografie so einen großen Wurf. Unabhängige externe Gutachten zum Konzept gibt es bisher nicht – bis auf das anonyme Kritikpapier.