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Eingeschleuste Gene weitervererbtNachwuchs für transgenen Affen

Kouichi heißt das Affenbaby mit dem Quallen-Gen. Der Affe ist eine Premiere: Er ist der erste Primat, der einen gentechnisch veränderten Vater hat.

Für ihren Versuch mit Weißbüscheläffchen schleusten die Forscher das Gen mit einem Virus ein. Bild: dpa

BERLIN/LONDON taz/afp/dpa | In einem umstrittenen Gentech-Experiment haben japanische Forscher erstmals transgene Affen geschaffen, die ihre neue Erbinformation auch an ihre Nachkommen weitergeben können. Die japanischen Wissenschaftler schleusten in das Erbgut von Krallenaffen ein Quallen-Gen ein, das die transgenen Tiere unter ultraviolettem Licht zum Grünleuchten veranlasst. Die Forschergruppe um Erika Sasaki vom Zentralinstitut für Experimentaltiere an der Keio-Universität erhoffe sich davon eine neue Art von Laborversuchstieren, um Gegenmittel für bisher unheilbare Krankheiten beim Menschen zu finden, heißt es im Wissenschaftsmagazins Nature. Kritiker befürchten, dass dieses Experiment nur eine Vorstufe sei, um gentechnisch veränderte Menschen zu schaffen.

Für ihren Versuch mit Weißbüscheläffchen (Callithrix jacchusaus) aus Brasilien schleusten die Forscher mittels eines Virus das sogenannte grün fluoreszierende Gen (GFP) in das Genom von Affenembryonen. Das GFP-Gen, das aus Quallen gewonnen wurde, wird von Gentechnikern häufig als Biomarker eingesetzt. Bei Bestrahlung mit ultraviolettem Licht lässt sich durch das grüne Aufleuchten der genveränderten Zellen leicht nachweisen, ob sie das GFP-Gen enthalten.

Die manipulierten Embryonen wurden dann sieben Affenweibchen eingepflanzt. In drei Fällen kam es zu Fehlgeburten, vier weitere Muttertiere gebaren insgesamt fünf Äffchen. Bei zwei von ihnen war das GFP-Gen auch in das Genom der Keimbahn integriert. Damit konnten die Forscher eine zweite Generation der Leucht-Äffchen erzeugen - dieses Affenbaby bekam von den Forschern den Namen Kouichi.

"Das ist der erste bekannte Fall in der Welt, in dem ein eingeschleustes Gen erfolgreich auf die nächste Primatengeneration vererbt wurde", teilten die japanischen Forscher mit.

Weißbüscheläffchen gehören zu den kleinsten Primatenarten. Ihre nahe Verwandtschaft zum Menschen und ihre hohen Fortpflanzungsraten machen sie zu möglichen Forschungsobjekten für beispielsweise Parkinson, Alzheimer und verschiedene Infektionskrankheiten.

In Zukunft könnten ganze Kolonien solcher gentechnisch veränderter, kranker Affen für die Forschung gezüchtet werden, spekulieren Erika Sasaki und ihre Kollegen.

Das Experiment aus Japan sei "ohne Zweifel ein Meilenstein" in der Forschung, kommentierten die in den USA arbeitenden Primatenexperten Gerald Schatten und Shoukhrat Mitalipov in einem Begleittext in Nature die Affenexperimente. Die beiden Forscher verwiesen aber auch auf die zu erwartenden Widerstände gegen diese Gentech-Experimente in der Bevölkerung. Nötig sei deshalb "eine realistische Politik", um gentechnisch veränderte Babys beim Menschen auszuschließen.

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7 Kommentare

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  • I
    Ivo

    Zitat Malte: "Gerade die hier beschriebenen Experimente sind im übrigen nicht brutaler als in vitro Fertilisation bei Menschen."

     

    Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass die künstliche Befruchtung beim Menschen freiwillig geschieht. Bei solchen Experiementen handelt es sich jedoch um eine totale Herrschaft des Menschen über die Tiere. Die Menschen zwingen den Tieren die Experimente (notfalls mit Gewalt) auf. Die Folgen dieser Herrschaft sind immer brutal, denn mit den Experimenten an sich ist auch die Beschaffung und Haltung der Tiere verbunden - Affen sind zudem schwerer zu halten wie Philipp Seidel schreibt.

    Zitat: "Versuch mit Weißbüscheläffchen (Callithrix jacchusaus) aus Brasilien" - also sind die Tiere freiwillig nach Japan gekommen? Vermutlich um Urlaub zu machen?

     

    Zitat: "In drei Fällen kam es zu Fehlgeburten,"

    welche den Tieren aufgezwungen wurden - damit rechnen die Erperimentatoren schließlich. Wenn das keine Brutalität ist.

     

    Zucht, Haltung, Fehlgeburten und was ist nach dem Experiment? All das ist mit den Experiementen untrennbar verbunden - ein Vergleich mit künstlicher Befruchtung beim Menschen ist daher euphemistisch.

  • G
    Garrit

    Moin Moin,

    schöne Grüße von der Biologiestudentenfraktion der Uni Kiel

    Ein kleinen Kommentar vonwegen die Kritiker seine in diesem Fall keine Biologen. Ohen jetzt auf andere Punkte eingehen zu wollen:

    Lieber Philipp Seidel: Nager und Säugetiere gehören leider in dieselbe Klasse Säugetier, das Nagetier ist eine Ordnung innerhalb dieser Klasse. Ich gehe mal davon aus du wolltest Primaten (ebenfalls eine Ordnung) schreiben, dennoch sollte man angreifende Kritik zumindest korrekt formulieren. Dann hat das ganze auch (halbwegs) wissenschaftliche Stichhaltigkeit.

    Gruss Garrit

  • H
    hgo

    Über die moralischen und ethischen Konsequenzen und unsere Verantwortung im Umgang mit genetechnischen Methoden muss diskutiert werden, aber ich frage mich, wie sie als taz-Redaktion glaubhaft mitdiskutieren wollen, wenn sie die wissenschaftlichen Grundlagen der Materie scheinbar gar nicht nachvollziehen können.

     

    Nur mal als kleine Anmerkung: a) GFP heißt Grün Fluoreszierendes Protein und nicht Gen b) GFP wird u.a. deshalb als Biomarker eingesetzt, weil damit gezeigt werden kann, im welchem Gewebe ein bestimmtes Gen aktiv ist und damit GFP produziert wird (also knapp gesagt die Zelle leuchtet) und nicht in welcher Zelle das Gen vorhanden ist (das ist bei Organismen mit transgenen Eltern in jeder Körperzelle vorhanden). Das lernt man spätestnes in der Oberstufe als "omnipotenten Zellkern".

  • I
    Ivo

    Gott Mensch bastelt am Bauplan anderer fühlender Wesen herum und degradiert sie zu Instrumenten des Fortschritts.

     

    "Ihre nahe Verwandtschaft zum Menschen [...] machen sie zu möglichen Forschungsobjekten..."

    Diese Aussage beinhaltet schon das ganze Paradoxon: sie sind wie Menschen, also ist die Art und Weise wie wir sie behandeln mit der von Menschen wesentlich gleich. Und doch machen wir sie zu "Forschungsobjekten". Wie arrogant und barbarisch kann unsere Spezies noch werden?!

     

    "Dem Menschen gehört die Vernunft, die unbarmherzig abläuft; das Tier, aus dem er den blutigen Schluß zieht, hat nur das unvernünftige Entsetzen, den Trieb zur Flucht, die ihm abgeschnitten ist." (Dialektik der Aufklärung, Mensch und Tier)

  • PS
    Philipp Seidel

    Seit den 80er Jahren kloniert man auf dem im Text beschriebenen Wege transgene Mäuse, die von so ungeheurem Wert für die biologische und medizinische Forschung waren, dass an deren Entdecker der Nobelpreis vergeben wurde. Die Methode ist also nicht neu, bisher war es nur nicht nötig an Affen zu forschen, weil Affen schwerer zu halten sind als Mäuse und weil für Mäuse viel bessere molekularbiologische Methoden zur Verfügung stehen. Mittlerweile gibt es viele Fragestellungen, die sich mit Mausmodellen nicht beantworten lassen, weil Nager und Säuger gewisse subtile Unterschiede in ihrer Zellbiologie und Physiologie aufweisen. Die Erzeugung von transgenen Affen dient der Erforschung von Krankheiten und hat rein gar nichts mit geklonten Menschen zu tun. Die Kritiker sind wahrscheinlich einfach keine Biologen. Das kann man ihnen nicht vorhalten. Aussagen zu treffen, ohne sich über die Hintergründe zu informieren, allerdings schon.

  • M
    Malte

    @Udo: Wenn man davon ausgeht, dass das Leben nur einmal oder wenige Male entstanden ist, dann wären auch die anderen Säugetiere und meinetwegen auch die Molche und Gelbbauchunken unsere Schwestern und Brüder (wobei Cousins und Cousinen 47293. Grades wahrscheinlich zutreffender wäre). Das Argument zieht nicht.

    Gerade die hier beschriebenen Experimente sind im übrigen nicht brutaler als in vitro Fertilisation bei Menschen.

     

    @Artikel: Es ist nicht das Gen, sondern das Protein, welches grün fluoresziert, daher auch GFP mit P. Und in der Form, wie es eingebaut wurde, hat es wahrscheinlich auch nicht mehr viel mit der Qualle zu tun, würde ich vermuten.

  • UR
    Udo Radert

    Ok, der kleinste gemeinsame Nenner, auf den wir uns vermutlich alle einigen können, ist:

     

    Der Affe kann jedenfalls nichts dafür.

     

    Im Übrigen sei an der Stelle mal daran erinnert, dass Affe und Mensch gemeinsame Vorfahren haben, so dass also die Affen aus dieser Perspektive und rein genetisch gesehen, nicht mehr und nicht weniger als die Brüder (und Schwestern) des Menschen sind.

     

    Was wir unseren Geschwistern mit solchen brutalen (und oft genug völlig sinnlosen) Experimenten antun, das ist wie die Geschichte von Kain und Abel - wobei klar sein dürfte, welchen Part wir Menschen dabei übernehmen.