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Archiv-Artikel

Einfach erschöpft

Das 3001 zeigt „Rude Boy“, eine mögliche Reminiszenz an den 2002 gestorbenen „The Clash“-Sänger und Gitarristen Joe Strummer

von LARS BRINKMANN

...irgendwann habe ich dann aus einer der Konzertanzeigen des New Musical Express ein „sold out“ ausgerissen und auf meinen Badge mit den drei blauen Polizisten, direkt über das rote The Clash geklebt. Punk hieß schließlich auch, Style haben. Und eins musste man The Clash lassen, Style hatten sie eigentlich als Einzige. Selbst bei dieser Abstrafungsaktion (ich war jung und brauchte den Hass), verdienten sie einfach den nötigen grafischen Respekt. Der Badge wurde in meinem Umfeld gemischt aufgenommen. Das muss irgendwann ‘79/80, kurz nach dem Erscheinen von London‘s Calling gewesen sein...

... früh irritierte mich die Tatsache, dass Joe Strummer Diplomatensohn war. Sicher, das konnte er sich nicht aussuchen – aber das macht sich gegebenenfalls doch etwas, nun, ehrenrührig in der Vita einer Punk-Ikone. Und dann gab es auch immer so despektierliche Schlagzeilen wie „Wenn es regnet, findet der Aufstand im Studio statt.“ Das waren noch Zeiten, da wurde Musikjournalismus noch mit der Hand gemacht. Für echte Fundamentalisten wie Mark Perry, Kopf des einflussreichen Punk-Fanzine Sniffin Glue, „starb Punk an dem Tag, als The Clash einen Plattenvertrag bei CBS unterschrieben“. Für Hamburger war es der Tag, an dem Joe Strummer in der Hamburger Markthalle der aufgebrachten Punk-Meute begegnete, indem er einem Unbeteiligten die Gitarre über den Kopf schlug. Das kam nicht gut an.

... und als Schauspieler? Joe Strummer in dieser unglaublich miesen Straight to Hell-Gurke? Das war schon die Hölle. Und bei Rude Boy hat es damals Bierflaschen gehagelt. Überhaupt ein entsetzlich deprimierender Film, wenn ich mich recht entsinne. Aber eigentlich möchte ich das gar nicht. Nicht dass wir uns missverstehen, den sollte man schon einmal gesehen haben. Auf eine Art ist das „The Great Rock‘n‘Roll-Swindle“ mit anderen Mitteln, aber garantiert nicht das, was ein „Clash City Rocker“ sehen möchte...

... plötzlich, am Tag unseres alljährlichen Herrenabends, der sukzessive zur Weihnachtsfeier degeneriert ist, musste Joe Strummer nun sterben. Mit 50 Jahren, an Herzversagen, zu Hause in Sommerset, England. Ohnehin sentimental und geschichtsklitternd verklärt das natürlich alles. The Clash, die Titanen des Polit-Punks – alles vergeben und vergessen. Ohne euch hätte ich Punk nicht lieben gelernt. Ihr habt es dem kleinen Rock‘n‘Roller leicht gemacht, einfach die Lager zu wechseln. Ihr seid der Stern am Himmel meiner kleinen Prostitutionen. Ohne euch hätte ich nicht gekündigt, als ich damit begann, lustige Funkspots für Shell zu schreiben. Ohne euch wären Punk & Lederjacke nur halb so schön gewesen. Ich leg noch mal Give ‚Em Enough Rope auf, das große missverstandene zweite Album... „All The Young Punks“... *sniff*

In einem Interview mit der BBC sagte Joe Strummer mal: „Diese fünf Jahre von 1977 bis 1982 waren sehr intensiv. Yak-yak-yak, non-stop yak. Ich hatte einfach nichts mehr zu sagen – wir haben acht Langspielplatten in einer Periode von fünf Jahren rausgehauen. Ich glaube, ich war erschöpft – mental, körperlich, in jeder Beziehung.“ Auch wenn er sich nie richtig erholt hat, er wird uns fehlen.

Rude Boy: heute, Di + Mi, 3001