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Einer ißt — acht protestieren

■ Grüne uneins über Empfang für den Amerikanischen Botschafter Walters

Gestern nachmittag in der Bürgerschaft: Mit handgemachten Schildchen „CIA“ „Chile“ begrüßten acht Mitglieder der Grünen-Fraktion den neuen US- Botschafter und ehemaligen stellvertretenden CIA- Vorsitzenden Walters im Plenarsaal. Nicht dabei war EX-Fraktionssprecher Hajo Sygusch. Der hatte zuvor am Senats-Essen für Walters im Rathaus teilgenommen und mochte sich deshalb am Protest nicht beteiligen.

„Erst schlagt ihr Euch den Bauch voll und dann demonstriert ihr“, lästerte Bürgermeister Wedemeier anschließend in der Lobby ob des zweigleisigen Vorgehens der Grünen. Die so „angemachten“, Martin Thomas und Helga Trüpel vom frischgewählten Fraktionsvorstand, bezeichneten das Ganze als bedauerliche Panne. Der Vorstand habe von der Einladung erst gestern Mittag, kurz vor dem Essen, durch die Presse erfahren. „Deshalb konnten wir das in der Fraktion nicht mehr politisch diskutieren“, so Thomas. Und weiter: „Hajo hat nichts gegen die Demonstration.“ Da er nun aber bedauerlicherweise bei dem Essen war, habe er es vorgezogen, der Bürgerschaft bei der Walters-Begrüßung fernzubleiben.

Hajo Sygusch selbst allerdings wußte von dem Mahl mit dem US-Botschafter schon einige Zeit und hatte es nicht für notwendig erachtet, in der Fraktion darüber zu diskutieren. Sygusch:“Ich habe die Einladung bereits im September erhalten, als ich noch Fraktionssprecher war. Sie war aber an mich persönlich gerichtet, und ich habe mich entschlossen hinzugehen. Ich habe nicht diese totale anti-amerikanische Haltung. Ich finde, die Amerikaner haben hier in Mitteleuropa eine eher positive Rolle gespielt.“ Walters sei für ihn der von der US-Regierung eingesetzte Botschafter. Er akzeptiere ihn als Inhaber dieses Postens.

Martin Thomas sieht das ganz anders, nicht nur weil er mit seinem Eintritt in die Personal-Kontroll- Kommission persönliche Erfahrungen mit dem CIA gemacht hat: „Walters war als stellvertretender CIA-Vorsitzender zuständig für Lateinamerika. Er hat maßgeblich am Aufbau von Pinochets Geheimpolizei und damit am Sturz Allendes mitgewirkt. Mit so einem Mann würde ich mich nie an einen Tisch setzen.“ Die Grüne Bundestagsfraktion habe in Bonn eine große Anfrage zur politischen Vergangenheit des US-Botschafters eingereicht, die zuerst nicht zugelassen werden sollte, nun aber in den nächsten Tagen beantwortet wird, so Thomas. „Die Grüne Bundestagsfraktion begrüßt unseren Protest.“

Das allerdings beeindruckt Sygusch überhaupt nicht: „Ich gehöre eben zu einer Gruppe von Grünen, die das anders sieht,“ meinte er. Und: „Solche Spannungen muß die Fraktion aushalten.“ asp

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