: Einer bleibt nüchtern
Zu viele Blödsätze, zu viel Bremer Besoffenheit, zu viel Gesummse und Gebrummel. Drum kann Werder nur mit einem Deutscher Meister werden: mit Trainer Thomas Schaaf
Bremen taz ■ Das war das Wochenende der Blödsätze: 1. „Jetzt Champion‘s League – nix UEFA-Cup“ (Dortmunds Ewerthon nach dem 2:0-Sieg des BVB bei 1860). 2. „Egal, ob Bremen verliert oder gewinnt – ich bin nach diesem Spiel optimistischer als zuvor“ (Uli Hoeneß nach dem 0:1 seiner Bayern in Bochum). Und 3. „Wer so viel Dusel hat, wird auch Deutscher Meister“ (sämtliche TV-Stationen, Stammtische und andere Expertenrunden).
Mit Blödsatz Nummer eins mag Borussia Dortmund endgültig dem Größenwahn anheim fallen. Blödsatz Nummer zwei wirft die bange Frage nach Rechenschwächen oder ganz abgefeimten bajuwarischen Psychotricks auf. Und für den gerade in Bremen hoch populären Blödsatz Nummer drei gibt‘s immer noch einen, der‘s besser weiß: „Ab und zu kann man mir auch mal glauben, dass andere Mannschaften auch gute Spieler haben.“ Also sprach Werder-Trainer Thomas Schaaf nach dem 1:0 gegen Kaiserslautern. Und machte das übliche Gesicht: Als müsste er die Jahresbilanz der bundesrepublikanischen Betonindustrie verkünden.
Sieht so ein Tabellenführer aus, der mit neun Punkten Vorsprung weit vorne rangiert? Sieht so der sichere kommende Meister aus? Antwort: Wenn überhaupt, dann so! So wie Thomas Schaaf. Wenn überhaupt, dann so cool und realistisch – einer bleibt nüchtern. Das muss er auch, um mal bei der bitteren Wahrheit zu bleiben: Werder spielt schlechter, als Tabellenplatz und Euphorie vermuten lassen. Nur mit Engagement und Dusel kann eine Mannschaft mal eine Schwächephase überstehen – auf Dauer wird‘s mit der Meisterschaft aber Essig. Seit dem Jahreswechsel hat Werder aber nur das zu bieten: Engagement und Dusel. Und wenn am Sonntag allein der von Werder umworbene Miroslav Klose seine Chancen verwertet hätte – die Bremer wären mit einer Packung vom Platz geschlichen.
Das multiple Gequatsche rund um den Verein – um den vermeintlichen Meisterschaftsfavoriten, das sensationelle Mittelfeld, die Zukunft – hat die Mannschaft offenbar aus dem Tritt gebracht: Seit Herr Lisztes meint, er sei ein unverzichtbarerer Spieler, kickt er so verzichtbar wie nie. Seit Herr Klasnic mit anderen kokettiert, fehlt‘s am rechten Spielverständnis. Und wenn dann auch noch Herrn Micoud die rechte Lust fehlt, Herr Ailton in‘s Abseits trabt und Herr Davala schwer pomadisiert, dann ist‘s halt so wie Sonntag – und die Spieltage und das Pokalspiel davor: Der Kombinationsmotor stockt, die Spieleröffnung geht zu langsam, die Pässe sind zu ungenau, immer wieder laufen sich die Spitzen fest. Drei Kreuze, dass die Defensive noch funktioniert. Reicht das aber für die Meisterschaft? Nein!
Kurzum: Werder ist in dieser Form weiter vom Titel entfernt als noch zu Weihnachten. Womit wir wieder bei Blödsatz Nummer drei angekommen wären. Und bei dem, der weiß, wie man darauf reagiert. Frage des Reporters: „Neun Punkte Vorsprung – wird Ihnen da nicht angst und bang?“ Antwort Thomas Schaaf: „Nö.“ Danke, Trainer! Weitermachen! Werner Baßler