: Einen Jack Daniels in die Maske
■ Der Schriftsteller und Drehbuchautor Frank Göhre exklusiv über Krimis, Kerle und Kanonen
Irgendwann im Frühjahr 1975 hat der alte Mann in der Maske gesessen. Er wurde nicht groß geschminkt. Ein paar Bürstenstriche durch das dünne, links gescheitelte Haar, etwas Puder. Dann konnte das Frisiertuch wieder abgenommen werden und der alte Mann durfte aufstehen: Mr. James Myer Thompson warf noch einen Blick in den Spiegel und verlangte nach einem Drink. Vielleicht hat er sich sogar gleich eine ganze Flasche Jack Daniels kommen lassen.
Ein Drehtag in Hollywood ist lang, und Robert Mitchum wird nicht abgewunken, sondern gut mitgehalten haben. Der nämlich war gleich nebenan fertig gemacht worden und hatte ohnehin in der nächsten Szene einen zu kippen. Mitchum mimte den Philip Marlowe, und der Kriminalromanautor Jim Thompson hatte einen kleinen Auftritt als Richter Grayle - Farewell, My Lovely, inszeniert von Dick Richards.
Thompson und Mitchum reichten sich da die Hand, und der alte, abgewrackte Mann sagte: „Es hat mich gefreut, Sie kennenzulernen, Mr. Marlowe.“„Cut“und „Danke, das war's“. Nach möglicherweise mehreren Klappen. Danach wird Jim Thompson wieder an seinem Tisch bei Musso & Frank am Hollywood Boulevard gesessen und verschärft getrunken haben. Er war in diesem Jahr bereits ziemlich am Ende.
Nun, er hatte ja auch einiges hinter sich.Schon als Knirps lehrte ihn der Großvater das Billardspiel und das Saufen. Während der Schulzeit jobte er bereits in einem Hotel, und mit Achtzehn hatte er einen ersten Nervenzusammenbruch. Im Krankenbett liegend kam er ans Lesen und beschloß daraufhin, Schriftsteller zu werden. Sein erster Roman: The Killer Inside Me. Die erste Hauptfigur: Ein psychopathischen Mörder, der nach außen hin als Sheriff in Erscheinung trat. In ihm aber taten sich düstere Abgründe auf. Das Buch wurde zu einem Meilenstein der Kriminalliteratur. Thompsons „Erben“Carles Willeford, Tom Kakonis und Jerry Oster – deren Texte Grundlage für die nun auf Kampnagel präsentierte Theater-Trilogie Undercover Philosophen von Gabriella Bußacker sind – haben seine durchgeknallten Protagonisten weiterentwickelt: Zu absurden Ausputzer-Duos, von ständigem Gerede-Gerede-Gerede genervten Cops und tumben Kleinkriminellen, die im sonnigen Florida übergewichtigen Detectives die Zahnprothesen klauen.
Frank Göhre Heute und morgen spricht Frank Göhre (in Zusammenarbeit mit Gabriella Bußacker) über Krimi-Autoren wie Tom Kakonis, Jerry Oster und Jim Thompson. Im Anschluß Peckinpahs Getaway, Alabama, 22 Uhr
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