Kommentar : „Einen Betrüger, bitte!“
Der erste Privatknast der Republik hat noch keinen Insassen, aber schon viel Publicity – wenn auch schlechte
Hünfeld liegt im Hessischen und ist laut Eigenwerbung „die Stadt mit Lebensqualität im Herzen Deutschlands“. Diese Lebensqualität sollen bald auch Gefangene kennen lernen dürfen. Vor kurzem eröffnete in Hünfeld das erste teilprivatisierte Gefängnis Deutschlands, mit dem Hessen jährlich 660.000 Euro einsparen will. Zwar ziehen erst im Januar die ersten Gefangenen ein, über mangelnde Kritik kann das Projekt aber schon jetzt nicht klagen.
So machte der Spiegel auf das Sicherheitsrisiko aufmerksam, in der Süddeutschen lehnte der Vorsitzende des Deutschen Beamtenbundes Gefängnisprivatisierungen grundsätzlich ab. Und in der nächsten Titanic wird der Knast gar zum Spottobjekt.
„Man könnte viel mehr sparen, wenn man das Gefängnis voll privatisiert“, dachte sich Thomas Gsella, Chefredakteur des Satiremagazins, und zog mit zwei Redakteuren in Hünfeld von Tür zu Tür: Gsella mimte einen Drogenhändler in Handschellen, die anderen stellten sich als Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma vor. Nur zwölf Hünfelder ließen sich von den Aufgaben („Können Sie mit einem Elektroschocker umgehen?“) nicht abschrecken und waren bereit, für 2.000 Euro einen Häftling zu verwahren. Die Mehrheit zeigte sich ablehnend.
„Die Menschen sind nicht bereit, Roland Kochs Idee zu Ende zu denken“, schließt Gsella. Zumindest im Herzen ist Deutschland also dagegen, dem Staat immer mehr Aufgaben wegzunehmen. Und das ist doch mal eine gute Nachricht. MICHAEL AUST